Seit meinem zehnten Lebensjahr war ich ein absolut fanatischer Kinogänger. Wie ein Filmkritiker, der alles gesehen haben muss, schaute ich mir wirklich jeden Film an, in den ich reinkam, auch den allergrößten Schrott.
Zusammen mit meinem damals besten Kumpel saß ich mindestens zwei mal die Woche im Kino, über Jahre.
Freiburg ist seit jeher einer DER Kinostädte in Deutschland. Eine vor einigen Jahren veröffentlichte Statistik besagte, dass die Freiburger im Schnitt sechs mal so oft (!!) ins Kino gingen, wie der Bundesdurchschnitt.
Wir hatten etliche Kinokomplexe hier. Das Harmonie-Kino, das Astoria-Kino (ein herrlich verruchtes Gebäude, welches neben den zwei normalen Kinosälen und einem dieser Pornokinos, "Cinema Sexy" hieß das, auch noch zwei Spielhallen und zwei Disotheken beherbergte) und der Kandelhof, das waren noch gigantische Kinosäle, die über 500 Menschen Platz boten, mit bequemen roten Sesseln, wie man sie aus romantisierenden Darstellungen kennt, mit riesigen Leinwänden.
Dann gab es noch die Kinos in unserem Mini-Einkaufcenter "Schwarzwald City", das waren fünf kleine Wohnzimmerchen, völlig heruntergekommen, zwei davon Raucherkinos (ja, das gab es mal!!), des Weiteren den "Friedrichsbau", mit einem sehr großen, einem kleinen und zwei wirklich winzigen Kinos (eines hat etwa 30 Plätze und eine Leinwand, die kaum größer ist, als die heutigen Flachbildfernseher
), sowie die Kinos unter dem "großen Haus", dem Stadttheater. Hier waren sieben Kinos untergebracht, darunter auch das mit der "größten Leinwand Badens" (oder so ähnlich).
Über zwanzig Leinwände zur Auswahl in sechs Kinos, in den 80er Jahren, in einer Stadt mit weniger als 200.000 Einwohnern, das war schon etwas. Und ich fühlte mich, wie im Paradies.
Doch es kam, wie es kommen musste. Je älter ich aber wurde, desto mehr regte mich das Kino auf. Ich wurde natürlich zum einen immer kritischer den Filmen gegenüber, die Preise wurden stetig angehoben (früher zahlte ich mal noch sechs Mark für einen Film), das Publikum, vornehmlich das jüngere, begann mich nerven und dann fing man auch noch an, die tollen alten Kinos abzureißen.
Schon in den 80ern wurde das "Harmonie-Kino" plattgemacht, hier kam Mitte der 90er dann das "Ufa-Harmonie-Kino", jetzt nur noch "Ufa-Arthouse" hin, fünf Kinos ohne Charme, dafür aber mit wenig Beinfreiheit.
Das "Astoria-Kino" war wohl irgendwann einfach zu herunter gekommen und ein Pornokino überhaupt nicht mehr zeitgemäß, also wurde auch das Anfang, Mitte der 90er ersatzlos gestrichen. Gleiches Schicksal ereilte die Kinos im "Schwarzwald-City". Die verrauchten Kämmerchen mit ihren zerrupften Sitzen hatten ausgedient.
Auch die Kinos im Stadttheater hat man entfernt, dafür aber Ende der 90er direkt dahinter einen riesigen "CinemaxX"-Komplex errichtet. In Konkurrenz dazu entstand am Bahnhof noch der "Ufa"-Palast", der aber wohl nicht hip genug war und deshalb schon nach wenigen Jahren wieder dicht gemacht wurde. Diese beiden großen, neuen Kinos standen aber ohnehin nur im Wettbewerb miteinander, niemals als Ergänzung zueinander. Liefen teilweise im "CinemaxX" schon zwei, drei Kopien (!!) von einem der großen Kassenschlager, zog der "Ufa-Palast" gleich mit noch zwei Kopien nach. Das war selbst für die Cineasten aus Freiburg zuviel.
Die verbleibenden Uraltkinos "Friedrichsbau" und "Kandelhof", sowie das besagte "Ufa-Arthouse" wurden komplett zu Kulturkinos umfunktioniert. Da laufen dann Filme wie "Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran", oftmals sogar Original mit Untertiteln.
Da bleiben die Freiburger zum Glück (noch) eigen, einen letzten Rest (auch Kino-)Kultur lassen sie sich nicht nehmen. Wer aber Hollywood-Kino im Sinne des hier besprochenen "Rocky VI" sehen will, der geht ins "CinemaxX" - und zwar nur da hin.
So hat sich die Kinolandschaft schon stark verändert. Entweder sitze ich also zwischen kreischenden, hippen Kiddies im Multiplex-Kino, wo es noch einmal mehr Kartenabreisser gibt, sondern aufgepumpte Security-Typen in schwarzer Kampfmontur und führe mir die neuesten Blockbuster zu Gemüte oder ich sehe mir einen schwarz-weißen Autorenfilm im heruntergekommenen, weil für die Betreiber finanziell kaum noch haltbaren, Kulturkino an, Seite an Seite mit einer handvoll schnöseliger, gesetzterer Akademiker-Paare oder Soziologie- und Islamistik-Studenten, um hernach noch bei einem Espresso im Café um die Ecke Backgammon zu spielen.
Herrje, kann man denn nicht mehr normal ins Kino gehen? Ihr habt Kino, so wie ich es noch kenne, kaputt gemacht!! Ihr Schweine!!
Dazu kommt erschwerend, dass die wenigen guten Filme, die mich interessieren würden, oftmals nicht unbedingt auch in meinem Freundeskreis spontane Freudensbekundungen auslösen und dann nur so kurz laufen, dass es bis zur Veröffentlichung in der Videotheken auch nur noch drei Wochen hin ist. Wozu also dann die Tortur?
So kam es, dass ich, völlig gefrustet, zwischen 1998 und 2003 vielleicht insgesamt fünf mal im Kino war und seit "Herr Der Ringe 3" überhaupt nicht mehr.