Wo ich gerade schon mal hier bin, werde ich doc noch ein paar Takte zum Thema Onkelz und politische Unkorrektheit sagen.
Die Platte DER NETTE MANN wurde auf Grund mehrerer Songs beschlagnahmt. Die meisten rechten Songs und die Skinhead-Lieder wie "Deutschland" oder "Vereint" störten die Prüfer dabei aber nicht. Ausschlaggebend war wohl der Song "Der Nette Mann" selbst, der nach ihrer Meinung die Gewalt an Kindern propagiert (obwohl das Gegenteil der Fall ist und der Song merklich ironisch rüberkommt).
Bei anderen Songs wie "Böhse Onkelz" und "Frankreich '84" wurden Teile der Texte (akustisch) falsch verstanden, was eine korrekte Beurteilung schon mal grundsätzlich unmöglich macht.
Die "rechten" Stellen in den wenigen rechten Songs belaufen sich auf ein bisschen Hooligan-Gegröle à la "wir hauen sie alle platt" ("Frankreich '84) und ein wenig Gesülze über Heimatverbundenheit ("Deutschland"), wie sie in jedem zweiten Volksmusik-Heimatsong gepriesen wird. Die Nazi-Zeit wird sogar als "die 12 dunklen Jahre" in Deutschlands Geschichte beschrieben, also als etwas definitiv Negatives.
Klar, die Scheibe wurde auch wegen der Gewaltverherrlichenden Songs "Dr. Martens Beat" und "Fußball + Gewalt", sowie wegen pornographischem Inhalt ("Mädchen") verboten.
Alles in allem ist das Gehalt rechten Gedankenguts auf dieser Platte relativ harmlos. Lediglich die Glorifizierung der Skinhead-Bewegung hat heutzutage einen sehr bitteren Nachgeschmack. Zu dem Zeitpunkt, als die Lieder verfasst wurden (1983,84) war die Bewegung jedoch gerade erst aus England nach Deutschland herübergeschwappt und hatte noch wenige politische Motive, respektive die Skinheads waren noch nicht von den rechten Parteien als Saalschläger instrumentalisiert worden.
1985 wehren sie sich sogar noch in einem Song ("Hässlich, Brutal & Gewalttätig" - auch dieser Titel ist im Übrigen ironisch zu verstehen) noch gegen den Vorwurf, dass die Skinheads "die Schlägertrupps der Nazis" seien und dagegen, dass sie eben von der Öffentlichkeit als "hässlich, brutal & gewalttätig" bezeichnen würden.
Als sie bemerkten, dass die Skinhead-Szene doch in den rechten Sumpf abrutschte, verabschiedeten sie sich aus der Szene und stiegen 1986 aus. Lediglich Kevin, der Sänger der Band blieb bis 1987 noch kahl.
Seitdem kam niemals wieder ein einziges rechtes Wort auf einer ihrer Platten auf, wurde niemals wieder die Skinhead-Szene in positiver Weise erwähnt. Mit Liedern wie "Deutschland im Herbst" (1993) und "Ohne mich" (1998) beziehen sie sogar klar Stellung gegen rechts!!
Der Ausstieg war vor 18 Jahren. Wieso sollte jemand 18 Jahre lang den Scheinheiligen spielen und so tun als sei er nicht rechts, wenn er es in Wahrheit noch ist?
Da ich auf mehreren Konzerten der Onkelz war, kann ich bestätigen, dass dort niemals ein rechtes Wort gefallen ist. Einmal sogar, als ein paar Jungs eine Flagge schwenkten, hörten sie auf zu spielen, bis das Ding weggepackt war.
Es gibt mehrere Gründe, warum man ihnen den Ausstieg nie abgenommen hatte. Zum einen wollten sie ihren Namen partout nicht ändern, was die Presse als Entgegenkommen erwartete. Dazu zitiere ich am besten die Onkelz selbst: "die Wahrheit ist in Dir und nicht in Deinem Namen", sprich, man kann auch seine Einstellung ändern, ohne dem öffentlichen Druck nachzugeben und seinen Namen zu ändern. Ich finde das konsequent und bewundernswert von den Jungs.
Zweitens werden die Onkelz bis heute für ihre uralten Skin-Lieder in der rechten Szene weiter gehört. Die Verehrung ist dort auch schon seit Jahren dem Zorn über die vermeintlichen Verräter der Szene gewichen. Auch hierzu hatten die Onkelz die beste Antwort selbst parat: "nicht wir haben die Szene verraten, sondern die Szene sich selbst". Und das auch weiterhin Skinheads ihre Konzerte besuchen, dafür können sie ja nichts. Ich selbst habe so manchen Skin auf den Onkelz-Konzerten gesehen, allerdings hat niemals auch nur ein einziger Ärger gemacht (auch als ich lange Haare hatte nicht!!). Denn interessanterweise schweißen Vorurteile der Öffentlichkeit gegenüber den Onkelz-Fans diese Fangemeinde dermaßen zusammen, dass es dort niemals zu Auseinandersetzungen kommt.
Ich habe auf jedem Hip Hop-Konzert mit 50 Gästen mehr Streitereien und schlechte Stimmung erlebt als von all den vermeintlich so wilden Onkelz-Fans (auch wenn der ein oder andere von ihnen privat kein netter Mensch sein mag, so ist es doch als positiv anzusehen, wenn er wenigsten für die Dauer eines Onkelz-Konzerts Ruhe gibt und sich dort austobt).
Zu guter letzt wurden von kaum einer Band derart viele Bootlegs (also unauthorisierte Platten) veröffentlicht, wie von den Onkelz. Da diese Bootlegs oft aus der rechten Ecke stammen, sind sie natürlich auch nicht selten in diesem Stile aufgemacht, mit Reichsadler auf dem Cover oder verfänglichen Titeln wie "Schwarz, Rot, Gold" etc.
Wer sich mit den Onkelz kaum oder gar nicht beschäftigt hat, wird diese CDs natürlich für echte Scheiben halten.
Es gibt allerdings zwei Onkelz-Titel, die sie sich wirklich vorwerfen lassen müssen: "Türken raus" (1980) und "Deutschland den Deutschen" (1982).
Diese beiden Songs stammen allerdings witzigerweise aus ihrer Punk-Zeit, als die Onkelz noch grüne Haare hatten und Nieten-Lederjacken trugen (ja ja, wissen die wenigsten: die Onkelz waren Punks bevor sie Skins wurden). Außerdem waren sie 1980 zwischen 16 und 18 Jahre alt, also noch voll am pubertieren.
Dieser Fakt, sowie die Tatsache, dass diese beiden Songs eher aus den Straßenkämpfen mit ihren ausländischen Mitbürgern in den problematischen Vierteln Frankfurts resultierten, als aus ernsthaften politischen Motiven, rechtfertigt natürlich keineswegs solche Texte!! Es lässt aber die Band in einem anderen Licht erscheinen. Ihre damalige rechte Gesinnung war vielmehr eine Mischung aus jugendlicher Dummheit, sozialen Problemen und dem Mitläufertum in der neuen Skin-Bewegung als eine echte politische Überzeugung.
Wie ernst ihnen die ganze Sache war, zeigt sich daran, dass sie den Song "Türken raus" 1981 in einem türkischen Zentrum vor einem hauptsächlich türkischen Publikum vortrugen, welches sich lediglich den Arsch über den peinlichen Text ablachte.
Die beiden erwähnten Songs wurden nach 1982 übrigens auch nicht mehr Live von den Onkelz gespielt (Live-Konzert bedeutete übrigens 1980 bis 1983 ein Auftritt vor etwa 50, zwischen 1984 und 1986 vor etwa 100-150 Gästen) und überdies nie auf Vinyl oder CD gebracht, zumindest nicht von den Onkelz. Das man diese Songs trotzdem bekommt, verdankt man den zahllosen Bootlegern in der rechten Szene.
Für all diejenigen unter Euch, die sich etwas eingehender mit den Onkelz beschäftigt haben, dürfte ich nicht viel Neues erzählt haben. Alen anderen habe ich eventuell geholfen, die Diskussion um die rechte Vergangenheit der Onkelz in Zukunft etwas kritischer zu betrachten.
Viel interessanter finde ich im Übrigen, dass eine Band wie Guns n’ Roses in ihrem Song "One In A Million" singen darf:
"Police and Niggers, that's right
Get out of my way
Don't need to buy none of your
Gold chains today
I don't need no bracelets
Clamped in front of my back
Just need my ticket; 'til then
Won't you cut me some slack?"
und weiter:
"Immigrants and faggots
They make no sense to me
They come to our country
And think they'll do as they please
Like start some mini Iran,
Or spread some fuckin' disease
They talk so many goddamn ways
It's all Greek to me",
oder das Type O Negative Songs wie "Jesus Hitler" schreiben und in der Öffentlichkeit einige sehr unüberlegte Äußerungen tätigen darf, ohne dass dies in der Presse eine besondere Erwähnung findet. Und das, obwohl beide Bands ganz oben in den Media Control Charts mitmischen, beziehungsweise mitmischten.
Gut, Pete Steele und Type O Negative kann man vielleicht, ähnlich wie Rammstein mit ihren Leni Riefenstahl-Video, noch dümmliche oder meinetwegen auch kalkulierte Provokation vorwerfen. Bei dem Guns n’ Roses Song kann ich aber wirklich keine Spur von Ironie entdecken.
Oder weiß jemand etwas anderes darüber?