Nachdem ich mit nicht enden wollender Begeisterung alle Karten von
MudRunner durchgezockt hatte, habe ich mir im Epic-Frühlingssale sofort den Nachfolger
SnowRunner zugelegt.
Die ersten Minuten waren zugegeben etwas enttäuschend. Die Grafik sah zwar sofort umwerfend aus, aber der Start in die erste Map mit einem kleinen Chevy-Pickup fühlte sich im Vergleich zur Fahrphysik von MudRunner eher an, als würde man mit Matchbox-Autos spielen. Wo man im Vorgänger jedes Kilo der tonnenschweren Maschinen beim Steuern spürt, hopst und wackelt der Pickup wie ein Spielzeug durch die nun amerikanische Landschaft. Erst nachdem ich den ersten LKW freigeschaltet hatte, stellte sich ein passableres Fahrgefühl ein. Doch bei den kleineren Scout Fahrzeugen, mit denen man zu Beginn die schwarze Landkarte erstmal enthüllen muss, versagt die Physik-Engine völlig. Erst recht, wenn man da noch einen Anhänger dran hängt, z.B. mit einem 900l Tank. Der sollte ja eigentlich doch etwas Gewicht in den Schlamm bringen, was man aber zu keinem Zeitpunkt spürt. Absurde Sprünge vollführt so ein Anhänger hinter dem Fahrzeug, bis ins Lächerliche.
Also kommen wir lieber schnell zu den Stärken und das sind die Fahrten mit den großen Trucks. Diese kommen wesentlich realistischer daher, wenn sie auch nie an die Perfektion aus MudRunner heran reichen. Einiges mehr an Realismus erreicht man, wenn man mit der Sicht aus der Fahrkabine unterwegs ist. Diese überzeugt von Anfang an, wenn man den Motor startet und alle Zeiger der Instrumente am Armaturenbrett in Position springen.
Einen Sprung hat auch der Umfang des Spiels gemacht. Musste man beim Vorgänger ja "nur" die Karte aufdecken, Werkstätten freischalten und dann Holzstämme durch die Landschaft zotteln, wirkt SnowRunner wie eine Mischung aus MudRunner und Assassin's Creed. Es gibt drei Gebiete mit jeweils vier zusammenhängenden Karten. Und wo ich lt. Epic in den Vorgänger 63h versenkt habe, stehe ich nun bei aktuell bereits 92h und 6min - und bin noch nicht mal mit allen Aufgaben im ersten Gebiet fertig. Es gibt UNFASSBAR viel zu tun. Erstmal muss man die Karten aufdecken, was im ersten Gebiet schon daran scheitert, dass zahlreiche Brücken bei einem Unwetter zerstört worden, Flüsse über die Ufer getreten sind, oder Strommasten quer über der Straße liegen. Also fahren wir Holz und Stahl, Beton und Ziegel kreuz und quer über die Landkarte - oder gerne auch mal durch drei Landkarten am Stück, reparieren hier und räumen da weg. Für jeden Auftrag erhalten wir Geld und Erfahrung, was uns immer mehr Fahrzeuge, Anhänger, Aufbauten - und immer mehr Aufträge freischaltet. Neben den Hauptaufgaben gibt es zahlreiche Nebenquests, in denen man Fahrzeuge aus dem Sumpf ziehen muss, verlorene Ladung bergen oder auch mal unter Zeitdruck ein paar Wetterstationen abfährt.
Also es gibt RICHTIG was zu tun und dabei sieht das Spiel einfach grandios aus. Wenn man das Spiel von Licht und Schatten bei Morgensonne auf dem Schlammboden sieht, bleibt man zwangsläufig erstmal stehen und staunt. Zahlreiche Aussichtspunkte bieten grandiose Blicke in die Ferne und auch die Nacht sieht beeindruckend realistisch aus. Aber es gibt auch gewisse Merkwürdigkeiten. Es gibt zwar ein Tag/Nacht-Wechsel, aber Sonne und Mond scheinen mir immer aus der selben Richtung zu scheinen, egal ob früh um 6 oder kurz vor Sonnenuntergang. Und das, obwohl sich die Schatten auf der Erde eindeutig bewegen. Und obwohl es ein sehr hübsches Wettersystem mit strahlendem Himmel, Nebelbänken oder Regen gibt, muss man leider nie den Scheibenwischer anschalten. Da hätte man mit (wie ich finde) relativ wenigen Mitteln noch viel für den Realismus tun können. Genauso wie man sicherlich das komplette Fehlen von Leben drumherum bemängeln könnte. Hier und da mal etwas Gegenverkehr oder mal ein Reh... hätte dem Gesamteindruck sicherlich nicht geschadet.
Es bleibt aber dennoch ein wahnsinniger Spaß. Wenn man sich erstmal mit einem Anhänger beladen mit einem Ölbohraufsatz, der dreimal so lang ist wie die eigene Zugmaschine, in einer Kurve im Wald festfährt und dann mit Hilfe eines zweiten LKW (weil man noch kein Geld für den großen Kran hat), den ganzen Sattelzug wieder frei bekommt, statt des Weges durch den Wald dann lieber durch das kleine Flußbett fährt und dann das ganze Teil doch noch sicher zum Ziel bringt, da ballt man schon mal die Faust wenn es heißt "Auftrag erfüllt". Dieses freudig wohle Gefühl im Magen habe ich sehr vermisst. Auch dieses "Ach komm, einen Auftrag schnell noch" hatte ich lange nicht mehr. Und wie oft ich mir schon in den Arsch gebissen habe, weil ich statt des sicheren längeren Weges über die Straße eine Abkürzung über den Hang nehmen wollte oder den Schleichweg durch den Sumpf und dann kurz vorm Wiedererreichen der Straße nicht aufgepasst hatte und der Sattelzug umgekippt ist und die ganze Ladung lag plötzlich im Wald... wohl dem, der in eine Akku-Seilwinde investiert hat und einen Selbstlade-Kran montiert hatte. Sonst kann man sich nur in die Werkstatt retten und von vorne beginnen - oder halt Hilfe holen. Ich könnte noch mehr erzählen, über einen leeren Tank kurz vor einer Tankstelle, zu der man sich mit der Seilwinde hinzerrt, oder den Steinbruch, aus dem man mit Anhänger einfach nicht mehr rauskommt, wenn man nicht einen gepimpten Motor unter der Haube hat - an jeder Ecke lautert der Anschiss aber man hat jederzeit die Möglichkeit sich zu retten - das Spiel wirkt zu keinem Zeitpunkt unfair.
https://www.youtube.com/watch?v=hcFSFjJ2b6ohttps://www.youtube.com/watch?v=P1_ty7esAnIMan merkt sicher, ich bin mal wieder schockverliebt und bin schon sehr gespannt auf das nächste Gebiet Alaska, wo ich dann auch endlich zum ersten Mal meine Erfahrungen mit dem titelgebenen Schnee sammeln werde, bevor es zum Abschluss wieder in die Sümpfe von Mütterchen Russland geht.
Ick freu mir...