Ich muss jetzt gerade mal etwas loswerden, was mich schon lange beschäftigt. Auf den ersten Blick sind es vielleicht eine triviale Überlegungen, aber letzten Endes geht es darum, wie man sich, seine eigene Existenz und deren Stellenwert in der Zeitgeschichte begreift.
Vor einigen Tagen habe ich mich mit Retro-Bruder im Geiste, uno, darüber unterhalten, welchen Sinn das Aufheben von Dingen von ideellem Wert hat. Hierzu zählen in meinem Falle eben auch meine Hard- und Software und die Magazine von damals, die ich seit Jahren unbenutzt im Keller horte. Aber auch alte Schallplatten, Postkarten, all so ein Kram eben.
Klar hängt mein Herz, meine Erinnerungen an dem Zeug, aber wozu hebe ich es eigentlich auf? Auf diese Frage hin erzählte mir uno, er habe mit seinem jüngsten Umzug vor einigen Wochen alles weg geworfen. Auch die alten ASM Jahrgänge usw. Er meinte, er könne ja im Internet auf all diese Dinge zugreifen. Seiner Ansicht nach sind auch sämtliche Retrosammler, also dieser Typen mit meterweise Regalen voller alter Spiele, Computer und Zeitschriften, schlichtweg Sammlernaturen, die genauso gut Briefmarken oder Spielzeugautos sammeln könnten und sich bloß auf dieses bestimmte Thema eingeschossen haben, weil sie ihre Kindheits- und Jugenderinnerungen damit verbinden.
Gut, jetzt ist der uno natürlich auch ein extremer Typ, aber irgendwo finde ich, hat er Recht. Sammler sind Menschen, die Dinge eines bestimmten Themenbereichs anhäufen, in erster Linie, um sie zu besitzen. Niemand, der alle Nintendo-, Sega-, C64- und Amiga-Spiele zu Hause hat, spielt all diese auch ständig. Das geht schon zeitlich nicht.
Und ich selbst habe noch nicht einmal Zeit auch nur eines meiner etwa 120 Orinigal-Amiga-Spiele zu spielen. Oder es ist mir einfach nicht mehr wichtig genug. Klar, ist es schade, dass die Erinnerungen langsam verblassen und man denkt immer, man müsste so eine Art Vermächtnis bewahren. Andererseits, was ist in zehn Jahren? Oder in zwanzig? Funktioniert der Krempel dann überhaupt noch? Schließe ich dann wirklich noch einmal den Amiga an und zocke Turrican II? Irgendwie glaube ich nicht mehr sp recht daran.
Zu unos Argument, dass man ja auch emulieren kann, lässt sich vielleicht sagen, dass es eine völlig andere Welt ist, eine echte 3,5" Diskette in einen Amiga einzulegen, zu warten, bis sie ratternd geladen wurde, um dann den herrlich knackenden Competition Pro Joystick zu bedienen. Trotzdem wird die Zeit von damals in der Erinnerung durch Emulation ja nicht schlechter.
Womöglich muss ich mir einfach nur mal eingestehen, dass mein Leben schon viele Schritte weiter gegangen ist und das Vergangene abhaken.
Bei so vielen Leuten zuhause sieht man Stapel alter Zeitungen, angestaubter Bücher in Kisten, Schubladen voller Sachen, von denen ich hundertprozentig weiß, bis zu ihrem Tode werden sie sie niemals wieder hervorholen; sie können sie aber auch nicht loslassen. Und wenn man dann Geschichte ist, kommen die Kinder bzw. Erben und müssen sich durch die Berge fremder Erinnerungen wühlen und können diese teilweise auch nicht wegschmeissen, weil der Verstorbene die Mutter war oder vielleicht der Großvater.
Irgendwann aber kommt der Zeitpunkt, da zerfällt all dieses Zeug zu Staub. Außer ein schlauer Geist befindet zwischenzeitlich, dass es sich um einen Gegenstand von historischem Wert handelt, verbringt diesen in ein Museum, wo er dann in einer Sicherheitsvitrine geschützt für die Nachwelt aufbewahrt wird.
Wer aber entscheidet, was wichtig ist?
In dem Zusammenhang muss ich gerade an den Film "Citzen Kane" denken, der sich darum dreht, dass alle Welt rätselt, was der Ausspruch "Rosebud" des superreichen Magnaten Kane kurz vor dessen Tode bedeutet. Am Ende erfährt der Zuschauer, dass es sein Schlitten aus seiner Kindheit war, auf dem dieses Wort stand. All sein Reichtum, seine Macht, sein Einfluss hatten keinerlei Stellenwert für ihn. Dieser Schlitten aber war für ihn das Symbol glücklicher Kindertage, zusammen mit seiner Mutter, bevor er sie verlassen musste.
Selbst wenn ich also versuchte, meinen Besitz, meine Erinnerungsstücke zu schützen, hätten sie doch niemals für andere Menschen den gleichen Wert, da es einzig und alleine MEINE Erinnerungen sind, die daran hängen und ich muss davon ausgehen, dass ihnen nicht das Gedenken zuteil würde, das ich mir für sie wünsche.
Wieso dann also an dieses Zeug klammern? Durch Projekte wie kultboy.com, thelegacy.de oder gar richtige Retromuseen bleibt das Vermächtnis ja doch irgendwie lebendig. In meinem Keller weniger.
Daher habe ich mich entschlossen, mich aller Erinnerungsstücke zu erledigen.
Allerdings werde ich vorher noch versuchen, das ein oder andere davon an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Mir geht's dabei nicht um Geld, sondern darum, dass vielleicht noch jemand etwas (für ihn) Sinnvolles damit anzufangen weiß.