Was sagt ihr dazu?
Du triffst den Nagel auf den Kopf. Angeschmiert sein wird allerdings lediglich die Mittelschicht, diejenigen, die über wenig bis mäßigen Wohlstand verfügen. Den Bettelarmen kann es schließlich scheißegal sein, was auf der Welt abgeht, denn wer nichts besitzt, dem kann man auch nichts wegnehmen. Und die Superreichen werden dann halt einfach nur noch sehr reich und nicht mehr sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr superreich sein. Klar, das wird sie ärgern, aber es wäre mit Sicherheit gelogen, zu sagen, dass es sie "hart treffen" wird.
Genau dahin steuern wir aber. Sämtliche Staaten verschulden sich mehr und mehr. Diese Schulden machen sie bei irgendwelchen Investmentunternehmen und Hedgefonds, deren Namen man noch nie gehört hat, die zusammen aber ein Vielfaches des Bruttoweltprodukts erwirtschaften (leider kein Witz). Und da ein Staat, abgesehen von irgendwelchen Geldanlagen, die ja aber sowieso fast immer in den Sand gesetzt werden, lediglich Steuern als Einnahmequelle zur Verfügung hat, müssen halt die Bürger mehr erwirtschaften.
Das Beispiel mit den LKW-Fahrern finde ich treffender als kaum ein anderes Berufsbild.
Früher wählten Menschen den Beruf des Fernfahrers zum Teil noch, weil sie damit gerne ein Stück Freiheit leben wollten, heutzutage ist man GPS-gesteuert, Satellitenüberwacht, von Schmiere und Zollfahnfung unter den Generalverdacht der Kriminalität gestellt und wird für jede noch so kleine Verspätung sanktioniert. Die meisten, die da fahren, sind sowieso Subunternehmer eines Subunternehmens, kassieren einen Hungerlohn und zahlen im Gegenzug hohe Konventionalstrafen, wenn sie auch nur eine Sekunde zu spät vom Hof fahren. Die Touren sind so geplant, dass kein Stau, kein Unwetter und schon gar keine Kaffeepause die Fahrt stören darf. Sich an die Lenkzeitbestimmungen zu halten ist seitens Arbeit- bzw. Auftraggeber natürlich gar nicht gerne gesehen, die Mißachtung des Verkehrsrechts quasi Dienstanweisung.
Der Sprit wird ständig teurer, dazu LKW Maut und immer mehr Auflagen vom Staat - so schnell wie die Kosten steigen (Stichwort derzeit: Diesel) können die Unternehmen aber unmöglich ihre Preise anpassen. Denn sonst kommen noch billigere Billigheimer und fahren den Scheiss am Ende noch umsonst quer durchs Land, Hauptsache ein paar ehemalige Hartz IV-Empfänger fallen raus aus der Statistik, weil sie jetzt ein "Gewerbe" betreiben - auch wenn das spätestens nach der ersten Steuerforderung mangels Liquidität wieder abgemeldet werden muss. Aber keine Sorge, es stehen schon neue Schwachmaten in den Startlöchern der Arbeitsagenturen parat. Also spart man bei den Personalkosten oder lässt die Fahrer 40 Stunden am Stück von Oslo nach Madrird fahren.
Sehr bezeichnend fand ich in dem Zusammenhang auch, als letzten Winter die vollständige Winterreifenpflicht für alle LKW eingeführt werden sollte (bisher nur Antriebsachsen) und der Verband der Transportunternehmer dann aufheulte, weil man sich die Anschaffungs- und Lagerkosten für die zahlreichen Zusatzreifen (je nach Größe der Hängerzüge ja dann teilweise das Vier- bis Sechsfache) nie und nimmer hätte leisten können. Dementsprechend wurde das wohl wieder gekippt.
Geile Welt also, aber in vielen anderen Berufen geht's den Menschen ja auch nicht besser. In Büros, in der Produktion, in der Dienstleistung, im Handel, selbst bei Beamtenstellen - überall müssen die Zahlen stimmen. Man verlangt den Arbeitern mehr ab, als sie können, ohne zu erkennen, dass die Produktivität ab einem bestimmten Punt gar nicht mehr steigt, wenn man die Menschen überfordert. Trotzdem versuchen die Unternehmen mit aller Kraft, Abläufe zu straffen, Personal weg zu rationalisieren, Kosten zu senken, Arbeitsplätze zusammen zu legen und die Vorgaben zu erhöhen.
Natürlich war es vor 40 oder 50 Jahren bestimmt so, dass viel zu oft ein Lahmarsch mit durchgezogen wurde, in größeren Betrieben, drei Leute den selbsen Brief an den Chef getippt haben oder ein nicht geringer Teil des Arbeitstages locker nur für Schwätzchen und Kaffeepausen draufging, aber eine wichtige Sache wird heutzutage oft übergangen: Es hat den Menschen noch Spaß gemacht. Woher kommt denn der enorme Anstieg von Burn-Out-Krankheiten? Das ist der Stress, hauptsächlich der Psychostress, dass dir ständig einer über die Schulter guckt, dauernd jemand deine Ergebnisse sehen will, dir hinterher spioniert wird, dein Rechner durchsucht und du dich ständig rechtfertigen musst.
Nun sind aber irgendwann die 100 % voll. 100 Prozent - 100 von 100, mehr geht halt nicht. Und dann, wenn alle schon völlig auf Anschlag sind und es mit der Wirtschaft trotzdem weiter bergab geht, kommt der große Knall. Inflation vermutlich, wie auch immer die sich dann niederschlägt, größte Einschnitte, harte Zeiten, viel Blabla, nur eines weiß ich sicher: Am System, das uns (gemeint ist der Großteil der Menschheit) seit 150 Jahren immer wieder auf's Neue an den Rand des Ruins steuert, wird man nicht rütteln. Wieso auch, wenn diejenigen, die von dem System am meisten profitieren, jede noch so schwere Krise weitestgehend unbeschadet überstehen?
Und die überstehen auch einen Klimawandel, glaub mir.