Also echt, der Test von "The Adventures of Willy Beamish" aus der Power Play ist ja wohl das Allerletzte! Zwar vergibt das Magazin im Gegensatz zum Amiga/PC Joker eine etwas höhere Gesamtnote (wobei ich bis heute nicht verstanden habe, warum die PC-Fassung im Joker um ganze elf Prozent schlechter bewertet wurde als die Amiga-Konvertierung?!), doch dass Volker Weitz das Adventure als "Lernsoftware" bezeichnet und ihm darüber hinaus noch unterstellt, dass es wohl eher für die jüngeren Semester geeignet wäre, ist ja wohl der größte Schwachsinn überhaupt!
Sollte es sich bei "Willy Beamish" etwa nur deswegen um ein "Kinderspiel" handeln, weil der Hauptakteur ein neunjähriger Junge ist? Nun, wenn dem so ist, würde ein Titel wie "Simon the Sorcerer" ja ebenfalls in diese Kategorie passen! Hallo? Geht's noch?
Die Grafikwertung von geradezu lächerlich anmutenden dreiundsechzig Prozent fällt dann bei einer solch miserablen Berichterstattung auch nicht mehr großartig aus dem Rahmen - genauso wie der dürftige Screenshot, der so gar nichts von der herausragenden Qualität der restlichen Grafiken wiedergibt...
Aber wahrscheinlich dürfte sich Herr Weitz ohnehin nicht allzu lang mit diesem (leider letzten) Adventure aus dem Hause Dynamix befasst haben, sonst wäre ihm womöglich aufgefallen, dass es sich hier keinesfalls um ein
"Programm für jüngere Geschwister im Haushalt, die sich gerade an den ersten englischen Vokabeln versuchen" handelt, sondern vielmehr um einen weitaus tiefgründigeren Titel: Denn das typische "Friede, Freude, Eierkuchen"-Universum, in welchem sich Willys tagtägliches Leben abspielt, ist um einiges vielschichtiger als es zunächst den Eindruck macht...
Zugegeben, auch ich war beim ersten Anspielen von Willys Eskapaden nicht sonderlich begeistert, da ich eher auf solche Antihelden vom Schlage eines William "Blade" Hunter abfahre, dessen Ermittlungen vor dem kaputten, verwahrlosten Setting eines futuristischen L.A.s stattfinden. Ein solches ist mir weiß Gott lieber, als ein "Heile Welt"-Szenario in bester "King's Quest"-Tradition, wo die Grenze zwischen Gut und Böse nicht deutlicher hätte gezeichnet werden können! Doch im Gegensatz zu jener Adventure-Reihe hat mich "Willy Beamish" nach mehrstündigem Spielen äußerst positiv überrascht, denn das ganze Programm entpuppt sich als die reinste "Verarsche" auf den "American Way of Life", welches nur so vollgestopft ist mit allen möglichen satirischen Klischees und hier und da auch nicht mit Sarkasmus geizt! Allein schon das prunkvoll ausgestattete Domizil dieser "typisch amerikanischen Durchschnittsfamilie" gleicht eher einem Palast! Ferner gibt es da noch das natürlich durch und durch böse Lehrerkollegium, das dem Dreikäsehoch das Leben schwer macht, die nervige kleine Schwester, die stets nur Spielen will, die arrogante große Schwester, die nur noch Jungs und sonstigen "Mädchenkram" im Kopf hat, die perfekte Mutter, die bei der Erziehung ihrer Kinder stets alles fest im Griff hat sowie den obligatorischen Schulrabauken, der den armen Willy noch nicht einmal außerhalb des Schulgeländes in Ruhe lassen kann...
Und kaum hat der Vater am Tag zuvor seinen Job verloren, da sitzt er auch schon am nächsten Morgen in genau dem Erscheinungsbild (Dreitage-Bart, lediglich mit einem Unterhemd bekleidet) vor dem Frühstückstisch, welches uns - insbesondere heutzutage - so manche "seriöse" Reportage, die zumeist von einem Privatsender ausgestrahlt wird, glauben machen will - einfach köstlich! Auf keinen Fall fehlen darf natürlich die typische "Teenager Lovestory" sowie das durchtriebene Geschäftemacher-Pärchen, welches alles daran setzt, das (fiktive) idyllische Städtchen Frumpton in den Ruin zu treiben! Des Weiteren gibt es da noch den toten Großvater Beamish, das scheinbar einzige (Ex-)Familienmitglied, welches unseren Willy wirklich versteht sowie noch den völlig durchgeknallten Frosch Horny, Willys "Haustier", welcher offenbar stets unter dem Einfluss von Steroiden steht...
Okay, in rein spielerischer Hinsicht vermag "The Adventures of Willy Beamish" nicht ganz mit anderen Produktionen dieses Genres mitzuhalten - was es aber wiederum aus der Masse jener Kategorie heraushebt, ist die nicht alltägliche Thematik des Spiels: Hier muss nämlich zur Abwechslung kein großes Geheimnis, keine weitreichende Verschwörung und kein Mordfall aufgedeckt werden! Genau genommen gerät selbst das zu Anfang des Programms offensichtliche Spielziel während des eigentlichen Abenteuers immer mehr in den Hintergrund - schließlich geht es gegen Ende des Adventures immerhin um die Rettung einer ganzen Stadt...
Die oben aufgeführten Punkte sind dann auch der Grund dafür, warum ich diesen Titel so mag: Es handelt sich bei diesem Programm eben nicht um das nur allzu typische "Weltenretter-Szenario", welches andere Vertreter dieser Sparte nur zu gern aufgreifen - "Willy Beamish" ist einfach irgendwie... na eben halt anders! Insofern hat insbesondere die ASM mit ihrer Wertung gar nicht mal so daneben gelegen - auch wenn der "Hit-Stern" vielleicht etwas übertrieben sein mag...
Kommentar wurde am 30.09.2010, 15:32 von Bren McGuire editiert.