Da sich das Jahr 2010 ja nun in recht schnellen Schritten dem Ende zuneigt, will ich noch einmal einen der von mir wohl am meisten gehassten Titel Revue passieren lassen. Den Leuten, die mich und meine Abscheu gegenüber einem gewissen italienischen Klempner schon etwas länger kennen, möchte ich hiermit versichern, dass es sich diesmal
nicht um einen Teil der unendlich scheinenden "Super Mario Bros."-Reihe handelt, sondern um
Chris Roberts "Space-Opera" "Wing Commander" - eigentlich logisch, denn ansonsten würde sich mein nun folgender Kommentar dazu sicherlich nicht hier wiederfinden, oder?
Ich beziehe mich allerdings wohlgemerkt nicht auf die PC-Urfassung dieses Programms (die ist schwer in Ordnung), sondern speziell auf deren Amiga-Umsetzung, welche für mich persönlich als der hochgehypteste Flop in die Annalen der gesamten Amiga-Geschichte eingeht! Sicherlich hat jeder ein Recht auf seine eigene Meinung und über Geschmack lässt sich nun mal nicht streiten - wenn ich mir allerdings die Kommentare von manchen Leuten (nicht nur auf kultboy.com, sondern auch auf vielen anderen Sites) in Bezug auf die Amiga-Version durchlese, werde ich manchmal das Gefühl nicht los, als würde "Wing Commander" auf diesem System auf Gedeih und Verderb "schön geredet"! All diese Posts laufen darauf hinaus, dass behauptet wird, dass es sich bei dieser Portierung um eine recht gute
"im Rahmen des Machbaren" handelt! Und selbst weltbestes Amiga-Magazin - der damals schwer angesagte Amiga Joker - kürte diese "Verwurstung" eines ehemaligen Top-Titels mit einem Hit (obwohl ich zugeben muss, dass sich der fälschlich an den Tag gelegte Enthusiasmus der Redakteure mit "nur" 86 Prozent dann doch noch in Grenzen hielt) - und so wie es aussieht, stand er damit auch allein auf weiter Flur... zumindest soweit es die zahlreichen Konkurrenzblätter innerhalb Deutschlands betraf...
Wie kam es zu diesem Fehlurteil? Wollte man die zahlreichen Amiga-Fans, welche da schon seit geschlagenen zwei(!) Jahren auf eine Konvertierung für ihren Lieblingsrechner hofften, ob der Wahrheit bezüglich eines katastrophalen Endergebnisses nicht enttäuschen? Haben
Richard Löwenstein und Co. diese niederschmetternde Tatsache nur aus Mitleid gegenüber ihrer Leserschaft verschwiegen? Schließlich erschien "Wing Commander" (Amiga) pünktlich zu Weihnachten 1992 und - wenn auch erst wenige Tage nach dem Fest der Liebe veröffentlicht - handelte es sich bei der Ausgabe 1/93 ja schließlich um eine (etwas) verspätete Weihnachtsausgabe deren durchschnittlicher Wertungsspiegel wohl noch in keiner Heft-Nummer zuvor so hoch gewesen sein dürfte, wie es in eben jener der Fall war! Durch diese denkwürdige Amiga Joker-Ausgabe zog sich ein Potpourri von guten bis hervorragenden Programmen! Mehr noch: Neben hochkarätigen Spielen wie "Flashback", "Lionheart" und "Gunship 2000", welche alle mit einer Auszeichnung bedacht wurden, erschien mit der bereits lange herbeigesehnten Amiga-Version von "Indiana Jones and the Fate of Atlantis" zudem noch ein Titel, der zum allerersten Mal mit dem "Amiga Joker-Mega-Hit" gekürt wurde - Hand aufs Herz, hätte ein schlechtes, wahrheitsgemäßes Review zu einem
der Hoffnungsträger des Amiga-Entertainments schlechthin nicht geradezu ketzerisch auf Seiten der Fans gewirkt? Natürlich hätte man den Test um ein, zwei Ausgaben nach hinten verschieben können - aber sollte man die ohnehin schon extrem ungeduldigen "Wing Commander"-Verehrer mit Amiga im Haus noch länger auf die Folter spannen? Dann doch lieber eine Notlüge, inklusive einer an den Haaren herbeigezogenen Beweihräucherung dieser fragwürdigen Konvertierung ins Heft stellen, als der versammelten Leserschaft die unbequemen, aber nichtsdestotrotz realistischen, harten Fakten aufzutischen, oder?! Nun ja, der Joker hat es diesbezüglich wohl nur gut mit seinen Fans gemeint und schließlich stand, wie bereits erwähnt, das Weihnachtsfest vor der Tür als dieser Artikel verfasst wurde - aus Rücksicht vor den eingefleischten Amiga-Enthusiasten möge es dem Team um
Michael Labiner verziehen sein...
Doch zurück zum Spiel selbst: Neben dem lahmen Tempo wird dem Programm des Öfteren auch seine extreme Farbarmmut angekreidet - natürlich mussten aus Gründen des doch etwas schwachbrüstigen 68000 Prozessors und der daraus resultierenden Geschwindigkeit (gemeint ist das "Schlafwagentempo" der Flugsequenzen) gewisse Kompromisse in Bezug auf die Farbenpracht gemacht werden. Damit verbunden war es den fähigen(?) Programmierer von Origin Systems nicht möglich, den gewohnten 32-Farben-Modus des Amigas zu nutzen - folglich kommt der angehende "Space Pilot" nunmehr in den "Genuss" von sage und schreibe ganzen 16 Farben! Nun könnte man sich damit noch durchaus arrangieren, allerdings sah Origin sich wohl gezwungen eben diesen Grafikmodus auch auf die Räumlichkeiten der
Tiger's Claw und während der Zwischenfilme anzuwenden. Nur spärlich animierte Standbilder in locker zu bewerkstelligen 32 Farben - ein Ding der Unmöglichkeit? Nun, für die Masterminds bei Origin bzw. das verantwortliche Konvertierungs-Team offenbar schon! Armselig, armselig...
Nun war das texanische Softwareunternehmen ja noch nie besonders versiert darin, eine gute Amiga/Atari ST-Portierung zu kreieren - auch die entsprechenden Adaptionen der "Ultima"-Teile der zweiten Trilogie dürften meine Behauptung dahingehend wohl untermauern. Setzte das Team um
Lord British die Teile IV und V noch - mehr oder weniger - recht lieblos auf die beiden oben genannten Systeme 1:1 um, so entschied man sich bei der bahnbrechenden sechsten Episode dieses Epos für eine originalgetreue Konvertierung - und zwar die der EGA-Fassung! Und genauso wie "Wing Commander" war auch dieser Titel ohne Turbokarte kaum vernünftig spielbar! Sollte man jetzt auf den Gedanken gekommen sein, dass sich "Ultima VI" auf einem A500 mit eingebautem Turboboard weitaus besser spielen würde, so folgte rasch die Ernüchterung, denn zumindest unter Zuhilfenahme einer entsprechenden Karte der Modellreihe "Blizzard", verweigerte das Rollenspiel seinen Dienst! Hinzu kam eine geradezu hanebüchene Festplatteninstallation: Kopierte man die benötigten Dateien nicht auf die Hauptpartition, so verlangte das Programm nach dem Starten des eigentlichen Spiels wieder jede einzelne der vier Disketten - wahrlich eine absolute Glanzleistung seitens Origin! Vorbildlich, vorbildlich...
Doch wieder zurück zu "Wing Commander": Hier ist - man höre und staune - eine Festplatteninstallation gar nicht zwangsläufig vonnöten. Es ist durchaus möglich das Programm direkt von den drei Disketten zu spielen, welche das Spiel enthalten! Und dies geht erstaunlich flüssig von der Hand - ich rede jetzt wohlgemerkt
nicht von den Flugsequenzen, sondern von den Ladezeiten! Ein weiterer Vorteil von "Wing Commander" gegenüber "Ultima VI" dürfte wohl in der Tatsache begründet liegen, dass der selbst ernannte "3D-Weltraum-Simulator" ganz im Gegensatz zu
Richard Garriotts sechstem Rollenspiel-Epos Turbokarten sehr wohl unterstützt, was natürlich für ein weitaus flüssigeres und vor allem schnelleres Tempo im Weltall sorgt...
Und trotzdem handelt es sich bei "Wing Commander" auf dem Amiga meines Erachtens nach schlichtweg um eine Beleidigung gegenüber dieser Hardware, da hier aber auch kein einziges Amiga-spezifische Potential genutzt wurde - hätten die Verantwortlichen bei Origin Systems ein externes Entwicklerteam angeheurt, welches sich mit der Architektur dieses Rechners weitaus besser ausgekannt hätte als der texanische Softwarekonzern, hätte "Wing Commander" auf diesem Rechner wohl eine Menge mehr Potential besessen - insbesondere was die "Farbenpracht" dieser Fassung angeht! Einzig und allein die Musik kann halbwegs begeistern - der Rest ist reine Bauernfängerei in ihrer dreistesten Form...
Wie bereits gesagt: Auf dem PC war das Ding ein Hit - und auch die Jahre später erschienene CD32-Version soll ja angeblich für viel Schadensbegrenzung bei den enttäuschten Fans gesorgt haben... allerdings war diese ja wohl auch von einem anderem Entwicklerteam! Komischerweise denke ich, wenn ich "Wing Commander" höre/lese, grundsätzlich zuerst immer an die extrem missratene Amiga-Konvertierung und nicht etwa an das grandiose PC-Original... ja, soweit haben mich die äußerst "kompetenten" Programmierer von Origin schon getrieben! Speziell dieser Adaption würde ich eine Note von höchstens 3 Punkten geben - die Gründe dafür dürfte ich wohl hiermit ziemlich genau aufgeführt haben. In Anbetracht des grandiosen PC-Originals vergebe ich aber eine Wertung von 8 Punkten - nicht nur unter Berücksichtigung des (meiner Meinung nach) besseren Nachfolgers, sondern auch gerade weil viele der Konvertierungen (Amiga, SNES) trotz vorhandener Möglichkeiten so schlecht gerieten. Ich halte solch eine schlampige und dreiste Vorgehensweise schlichtweg für verantwortungslos seitens eines solch einflussreichen Herstellers - und ich bin der Meinung, dass man bei der Bewertung eines Titels auch stets die entsprechenden Umsetzungen berücksichtigen sollte, was ich hiermit auch tue... darum "nur" eine 8...
"Origin - We Create Worlds" - in Bezug auf das PC-Portfolio dieses Herstellers traf dieses Firmenmotto (bis auf ganz wenige Ausnahmen) wohl auch voll und ganz zu - was hingegen die "Wing Commander"-Adaption auf dem Amiga angeht, kreierten sie hier nicht mehr und nicht weniger als einen großen Haufen Scheiße... sorry für diese Ausdrucksweise, aber genau das stellte und stellt dieses Spiel auf dem Commodore-Rechner nach wie vor für mich dar... da helfen auch alle möglichen Lobhudeleien seitens der Fanbase nichts...
Kommentar wurde am 12.12.2010, 16:36 von Bren McGuire editiert.