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Fangen wir mal von ganz vorne an: Was war dein erster Computer?
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mk:
Es war, wer hätte es ahnen können, der C64. Legendäre Maschine!
Bevor er aber unterm Weihnachtsbaum landete, musste man den Eltern natürlich weismachen, das Teil würde einem bei den Hausaufgaben helfen können. Das war mühsame Überzeugungsarbeit, die sich aber letztlich gelohnt hat.
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Wie bist du auf die Idee gekommen, Musik für Computerspiele zu schreiben?
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mk:
Mich hat Musik im Allgemeinen von je her fasziniert und emotional beeinflusst.
Als ich 4 oder 5 war, baute mir mein Vater (welcher der Elektronikbastelei mächtig war) meinen ersten "Synthesizer". Eine kleine graue Kiste mit Lämpchen, Knöpfen und Reglern, an denen man schrauben konnte und die dabei interessante Töne erzeugte. Das Teil hatte allerdings keinen Lautstärkeregler. Vermutlich der Grund, warum es kurze Zeit später "irreparabel kaputt" war.
Computerspiele kamen später hinzu, und da waren es zum Großteil die Musik und die Soundeffekte, die mich faszinierten. „Das will ich auch können“, dachte ich. Als dann 1986 in der 64'er der Soundmonitor von Chris Hülsbeck erschien, gab es endlich auch ein praktikables Tool, um erste Gehversuche zu machen.
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Zu welchem Spiel hast du die erste Musik geschrieben?
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mk:
Es war tatsächlich zu "Die Siedler".
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Man kennt dich als Komponisten vom ersten Siedler Titel – ansonsten findet man kaum eine Spur von dir. Hast du noch für andere Spiele Musik gemacht? Wenn nein, warum nicht?
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mk:
Nein, mir wurde für „Die Siedler“ zwar recht viel Lob zuteil, und man stellte mir weitere Projekte in Aussicht, aber es folgte dann leider nichts mehr.
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Bei nein: Hast du damals keine berufliche Zukunft in der Spielebranche gesehen?
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mk:
Doch, eigentlich schon, aber ich war nie im Bewerbungsmodus, weil ich schnell gemerkt hatte, dass es dabei wohl doch eher um das berühmte "Vitamin B" geht, wenn man als Neuling dazu stößt.
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Wie hast du deine Kollegen in Erinnerung? Gibt es noch Kontakt zu den ehemaligen Spieledesignern oder zu anderen Musikern wie Hippel, Steinwachs, Hülsbeck?
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mk:
Nein. Da ich kein Mitglied der Szene war, hatte ich auch nie die Ehre, die Kollegen kennenzulernen.
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Wie viel verdiente man früher als Musiker?
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mk:
Keine Ahnung. Im Nachhinein weiß ich aber, dass ich aufgrund der Verkaufszahlen von "Die Siedler" wohl mehr als die einmalige Entlohnung, mit der ich damals entgolten wurde, hätte heraushandeln können. Wobei, damals war ja nicht zu ahnen, dass das Spiel so ein Schlager werden würde. Seinerzeit habe zumindest genug dafür bekommen, um mir damit einen Traum erfüllen und mir den Synthesizer Roland JD-800 zulegen zu können.
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Wie bist du zu Blue Byte gekommen?
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mk:
Interessanterweise hatte ich mit Blue Byte selbst gar nicht viel zu tun. Wir haben im Freundeskreis gelegentlich AMIGA-Wochenenden veranstaltet (wie eine Mini-LAN-Party, nur damals natürlich noch ohne LAN). Auf einem dieser Zusammentreffen lernte ich Christoph Werner kennen, der zu dieser Zeit als Grafiker bei Blue Byte angestellt war. Dieser berichtete mir, dass er zurzeit am Projekt „Die Siedler“ arbeite und fragte mich, ob ich mir nicht vorstellen könne, die Ongame-Musik beizusteuern. Der Programmierer, Volker Wertich, sei wohl nicht so ganz zufrieden mit den Vorschlägen des Hausmusikers und suche daher nach einer Alternative. Da sagte ich natürlich zu. Das wiederum fand Blue Byte nicht sehr amüsant und wollte Dritte nicht im Boot haben, und so musste Volker das ohne Blue Byte direkt mit mir regeln.
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Mit welchen Programm hast du gearbeitet?
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mk:
Mit dem Noise Tracker, einem Raster-Sequenzer. Da ich damals schon eine KORG M1 Workstation mein Eigen nannte, konnte ich mir die benötigten Samples selbst erstellen, was dennoch eine erhebliche Herausforderung darstellte. Mir standen für das Stück neben sehr geringem Speicherplatz nämlich nur 3 der 4 Stimmen zur Verfügung, damit Spielgeräusche und Musik sich nicht gegenseitig ins Gehege kamen. Also musste ich einen Spagat machen und einerseits möglichst bereits Instrumentenkombinationen und Akkorde samplen, diese aber wiederum bis auf das absolut notwendige Minimum einkürzen, um den Speicherbedarf möglichst gering zu halten.
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Die Amiga und PC Fassung von die Siedler unterscheiden sich. Gibt es dafür einen speziellen Grund?
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mk:
Aus meiner Feder stammt lediglich die AMIGA-Fassung. Die PC-Version hat Blue Byte meines Wissens im eigenen Hause erstellen lassen. Nun kann ich mir vorstellen, dass sich die Motivation des mit der Umsetzung beauftragten Musikers aufgrund der Vorgeschichte in Grenzen gehalten haben mag.
Zudem war eine Portierung zwischen diesen unterschiedlichen Systemen damals eine mitunter undankbare Arbeit (AMIGA = Samples, PC = General MIDI), die vermutlich auch noch unter Zeitdruck erfolgte.
Anscheinend wurde dabei die Notation des AMIGA-Mods in MIDI-Daten umgewandelt, was die abweichende Tonart erklären würde. Da ich die Samples in A einspielte, diese aber technisch bedingt dem Grundton C zugeordnet waren, musste ich das ganze Stück in C bauen. Nach Umwandlung in MIDI erklang es demnach transponiert.
Mögliche weitere Abweichungen entsprangen rein der Fantasie des Portierenden.
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Du wirst auch beim zweiten Siedler Teil erwähnt. Warst du daran beteiligt oder lag es nur an der Midi Datei vom ersten Teil?
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mk:
Nein, mit Teil 2 hatte ich nichts zu tun.
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Wohin hat es dich beruflich verschlagen?
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mk:
Nach dem Abitur entschied mich für eine Ausbildung in der Printmedienbranche und bin seitdem beim größten Verlagshaus in meiner Region beschäftigt, wo ich meine Brötchen mit Logistikmanagement verdiene.
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Könntest du dir vorstellen, noch mal etwas auf einem alten System wie den Amiga zu komponieren?
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mk:
Klar. Das ist zwar ein ganz anderes Arbeiten als mit aktuellen DAW, aber gerade die Einschränkungen der alten Systeme stellen eine spannende Herausforderung dar. Erst jüngst habe ich mir den neu aufgelegten C64 Maxi zugelegt und bastele nun wieder mit dem Soundmonitor herum. Ein Riesenspaß!
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Was sind die besten 3 Soundtracks?
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mk:
Puh, es gibt so viel Gutes, da fällt es mir schwer, mich zu entscheiden.
Richtig super fand und finde ich immer noch die Musik zum C64-Shooter "Delta" von Rob Hubbard. Dass es sich dabei letztlich um "Koyaanisqatsi" von Philip Glass handelt, ist egal. Die Umsetzung ist einfach klasse.
Nicht fehlen darf natürlich "The Secret Of Monkey Island".
Und, wenn auch nicht so richtig retro: "Terracon" (Playstation 1).
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Welches „moderne“ Werk müsste von dir unbedingt den Oscar bekommen?
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mk:
Rayman Origins.
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Welche Musik hörst du in deiner Freizeit? In wie fern hat sie dich beim Komponieren beeinflusst?
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mk:
Eine konkrete Beeinflussung ist schwer zu benennen, denn eigentlich höre ich fast alles. Es gibt viele tolle Stücke in allen möglichen Stilrichtungen, sei es Klassik, Rock, Pop, Jazz, Folk, Independent, Techno und was es alles noch so gibt.
Einen Schwerpunkt stellt aber orchestrale sowie elektronisch geprägte Musik dar. Helden meiner Jugend waren Debussy, Vivaldi und Gershwin ebenso wie Jean-Michel Jarre, Mike Oldfield, Jan Hammer, The Art of Noise, Tangerine Dream, Software und viele mehr. Besonders spannend finde ich auch die moderne Umsetzung von Klassik. Als Beispiel sei Mussorgsky genannt, dessen "Bilder einer Ausstellung" von Emerson Lake & Palmer, Isao Tomita (Hörtipp!) und sogar Mekong Delta höchst unterschiedlich, aber jeweils genial umgesetzt wurden.
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Machst du auch heute noch Musik?
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mk:
Ja. Aber nur aus Spaß an der Freude und für mich selbst. Wobei ich, erstaunt von der häufig sehr positiven Resonanz im Internet, ernsthaft plane, das Siedler-Stück neu zu arrangieren und mit der mir heute zur Verfügung stehenden Technik noch einmal aufleben zu lassen. Vielleicht würde sich darüber ja neben mir selbst auch der eine oder andere freuen.
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Dich im Internet zu finden glich einer Phantomsuche. In einem englischsprachigen Amiga Forum habe ich vor 10 Jahren schon gelesen, dass man dir gerne persönlich für deine Arbeit gratulieren würde, aber niemand konnte dich anscheinend ausfindig machen. Woran liegt das?
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mk:
Das liegt daran, dass ich es vermeide, unter meinem Geburtsnamen im Internet zu agieren. Wenn ich mal etwas veröffentliche, was sehr selten vorkommt, dann mache ich das unter Pseudonymen.
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Welche Instrumente spielst du?
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mk:
Naja, ‚Spielen‘ ist sicherlich zu viel gesagt, aber ich kann halbwegs mit einer Klaviatur umgehen. Leider war ich nie standhaft genug, ein Instrument tatsächlich von der Pike auf zu erlernen. Nachdem man früh erkannt zu haben glaubte, dass "der Junge musikalisches Talent hat", steckte man mich zunächst in den Melodika-Unterricht. Nach einem halben Jahr war ich derart gelangweilt von diesem Instrument, dass ich mich verweigerte.
Den nächsten Versuch starteten meine Eltern dann 1980 mit einem Yamaha Porta-Sound-Mini-Keyboard als Weihnachtsgeschenk und einem Kirchenorganisten als Lehrer.
Die Unterrichtsstunden beschränkten sich auf das Spielen von Tonleitern in sämtlichen Tonarten rauf und runter. Das Üben war eine Qual für mich, wollte ich doch lieber selber Musik machen. Schließlich gab mein Vater auf, nicht ohne mahnende Worte: "Du wirst Dich irgendwann ärgern." Da hat er zum Teil tatsächlich recht behalten. Gerne würde ich virtuos spielen können, aber andererseits reicht es heute für meine Zwecke aus.
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Gibt es Spiele, die dir besonders in Erinnerung geblieben sind?
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mk:
Monkey Island, The Seven Gates Of Jambala, Loom, Hexenküche, Arkanoid und noch viele mehr.
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Hast du früher Computerzeitschriften wie die ASM, Amiga Joker etc. gelesen?
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mk:
Regelmäßig ganz früher die 64’er. Zu AMIGA-Zeiten las ich relativ wenig Zeitschriften, und später bin ich dann auf die „c’t“ gekommen und bis heute hängen geblieben.
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Welches Spiel hat dich damals am meisten aufgeregt? Deine Favoriten?
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mk:
Kann ich nicht sagen. Spiele, die mir nicht gefielen, habe ich halt nicht gespielt. Wobei, doch, irgendwie aufgeregt hat mich Diablo. Meine damalige Freundin hing fast nur noch hackend und slayend vorm Rechner, und ich konnte und wollte es einfach nicht nachvollziehen.
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Spielst du heute noch?
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mk:
Ja, und zwar voller Begeisterung.
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Welches System war damals dein Liebling, und welches besitzt du heute noch? Benutzt du diese noch, und wenn ja, wie oft?
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mk:
Meine Lieblinge waren eigentlich alle, die ich hatte. Intellivision, C64, NES, Gameboy, AMIGA, AMIGA CD-32, Sega Mega Drive, N64, Game Cube, PS1, PS2, PS Portable...
Davon habe ich noch den AMIGA, die PS2 und die PS Portable. Die PSP benutze ich auch ab und an noch.
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Was hältst du von Emulation? Spielst du sogar ab und zu mit einem Emulator?
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mk:
Ja, finde ich gut. Nichts spricht gegen eine gepflegte Runde "Super Mario Land" auf dem PC.
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Sammelst du Retrosachen?
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mk:
Nur zum Teil. Meinen AMIGA 500, auf dem ich "Die Siedler" komponierte, würde ich z. B. um keinen Preis der Welt abgeben. Ob er noch läuft, weiß ich dabei gar nicht, aber ich werde ihn behalten. Ansonsten habe ich noch das eine oder andere im Fundus, aber eine richtige Sammlung ist es nicht.
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Wie beurteilst du die heutigen Soundtracks?
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mk:
Die sind zum größten Teil richtig gut, aber das hat natürlich nichts mehr mit den "guten alten Zeiten" zu tun. Angesichts der Tatsache, dass bei modernen Titeln Hollywood-Budgets zum Einsatz kommen, erwarte ich aber auch Hollywood, was ja in der Regel geliefert wird. Alles gut.
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Was bevorzugst du? Synthesizer oder orchestrale Musik?
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mk:
Ich mag beides sehr gern.
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Was müsste geschehen, damit die heutigen Spiele auch wieder "kultig" werden können?
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mk:
Nichts. Die guten unter ihnen sind kultig, bzw. werden es in spätestens 10 Jahren sein.
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Hast du bestimmte Lieblings-Internetseiten?
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mk:
Wikipedia.
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Wie denkst du über den Unterschied zwischen den Computerzeiten damals und heute? Bist du retro?
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mk:
Gern tauche ich in die Nostalgie der alten Zeiten ein. Bücher wie "Ready Player One" oder die Trilogie "Extraleben" von Gillies habe ich verschlungen. Aber auf die moderne Computerzeit mag ich trotz allem nicht verzichten – zu geil sind die Möglichkeiten im Vergleich. Ich würde mich insofern als "retro" bezeichnen, als dass ich dankbar bin, einer Generation anzugehören, die die gesamte Entwicklung beobachten und die Fortschritte gebührend bestaunen konnte. Das geht den "digital natives", die bereits in eine hochtechnisierte Welt geboren wurden und werden, natürlich ab.
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In letzter Zeit ist eine große Rückbesinnung an alte Zeiten zu sehen, Zeitschriften, Spiele, Musiker nehmen ihre Werke neu auf. Würdest du gerne nochmal in diesem Bereich etwas machen wollen?
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mk:
Ja. Siehe oben!
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Wie denkst du über Retro-Fanatiker wie uns? Ist das cool oder haben wir doch nur alle 'nen Schuss?
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mk:
Nö. Das hat m. E. auch weniger mit Fanatismus zu tun als schlicht damit, dass wir alle älter werden und unsere Jugend im Rückblick noch einmal aufleben lassen. Es sind tolle Erinnerungen an eine gute Zeit, und umso schöner ist es doch, diese mit vielen Leuten teilen zu können.
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Danke für das Interview Markus, ich wünsche dir noch viel Erfolg in deinem weiteren Leben.
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mk:
Gern geschehen, auch ich habe zu danken. Alles Gute Dir und allen Lesern!
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