Abschlussbericht - Eric the Unready (mit leichten Spoilern):
Wieder mal die Befriedigung, ein Spiel ohne Lösung durchgespielt zu haben. Das passiert nicht mehr oft, wo doch das Internet ständig mit seinen Lösungshappen lockt.
Fazit: Was "Shrek" bei Filmen ist, ist Eric the Unready bei Computerspielen. Es wird zweigleisig gefahren und man kann das Spiel als einfache Parodie auf ein Märchen spielen oder noch dazu die Anspielungen auf popkulturelle Güter genießen.
Die Komik driftet manchmal in Steve-Martin-Klamauk ab, und scheint etwas plump, passt aber gut zum Charakter von Eric.
Story: Die Geschichte ist natürlich nur der Aufhänger für Erics tollpatschige Abenteuer.
Aber die Erzählung strotzt vor gut durchdachten und originellen Details, wie z.B. der Zeitung, die jeden Tag ausliegt und die Geschehnisse des Vortages reißerisch aufarbeitet.
Oder der Masterplan der Bösewichte, die friedliche mittelalterliche Welt in etwas zu verwandeln, das unserer modernen Welt entspricht (was natürlich bedeutet, dass Eric in Wirklichkeit versagt hat!).
Die Unterteilung in Tage erlaubt es verschiedene Szenarien ohne große Logikbrüche aneinanderzureihen. Wirkt manchmal etwas künstlich, trübt den Gesamtspaß aber nicht.
Design: Eric the Unready ist ein handwerklich meisterhaftes Stück Spieldesigns. Es macht genau das, wofür es ausgelegt wurde und lässt überflüssigen Kram weg. Mit einem Wort: "poliert". Das Spiel ist durch viele "Linsen" von Jesse Schells "The Art of Game Design" untersucht und bearbeitet worden, auch wenn es das Buch damals noch nicht gab.
Durch die Aufteilung in Abschnitte (Wochentage) wird es nicht zu kompliziert und man wird an der Hand genommen.
Man weiß immer was man zu tun hat, aber nicht unbedingt, wie. Wenn man nicht weiterkommt weiß man auch immer, dass es an der eigenen Unfähigkeit (oder "unreadyness"
) liegt und nicht am schlampigen Design (im Gegensatz zu Bureaucracy).
Bei weniger offensichtlichen Stellen sind im Spiel immer Hinweise vorhanden, um sie zu meistern. Entweder geben einem die anderen Charaktere Tips wenn man mit ihnen spricht oder man muss die Zeitung, eine Pinwand oder Bücher lesen.
Das 1-800-DOMINUS Rätsel an dem Trantor gehangen ist, fand ich nicht sehr schwer. Vielleicht weil ich ja vorgewarnt war. Ich bin an anderen Stellen länger gehangen, meistens an Stellen, an denen man vorher noch einen anderen Ort besuchen muss, bevor etwas passiert (Stichwort: Flaschenpost oder von Brieftauben abgeworfene Briefe).
Schwierigkeit: Dass ich es ohne Lösung durchgespielt habe zeugt von einem moderaten Schwierigkeitsgrad. Ab und zu musste ich etwas raten, welches Verb denn nun genau das richtige ist, aber es artet nicht in stupides Rumprobieren aus.
Schwierigkeitsgrad und modernes Design gehen Hand in Hand. Man kann fast nicht sterben, sich nicht unbewusst in Sackgassen manövrieren (außer vielleicht gegen Tagesende). Das Zeitlimit ist so großzügig bemessen, dass man ohne Speicher-/Ladeorgien auskommt.
Gegen Ende helfen gute Englischkenntnisse, da die Rätsel auf Wortspielen basieren (Brecheisen = crowbar; crow = Rabe ...).
Um Nachteile zu finden, muss schon mit dem Mikroskop gesucht werden:
- Die Verbenliste auf der linken Seite des Bildschirms ist zu überladen. Man braucht nur eine handvoll Verben, um das Spiel zu lösen.
- Manchmal wird vielleicht etwas zu dick aufgetragen.
Ach, ja, hätte ich fast vergessen: Grafik und Sound: pragmatisch, unspektakulär, was aber vollkommen egal ist. Das Spiel funktioniert ohne Grafik und Sound genauso (bis auf die Sequenz in der der Masterplan beschrieben wird und sich die Landschaft schrittweise modernisiert).
Die 75er Bewertung von PC Player ist immer noch nicht nachvollziehbar. Mit dem gleichen Argument könnte man die Harry Potter Bücher abkanzeln und behaupten, Bücher mit Buchstaben seien nicht mehr modern und deswegen seien die Star-Wars Filme besser. (Ich habe die Harry Potter Bücher noch nicht gelesen, aber angesichts des Erfolges können sie nicht so schlecht sein).
Wenn man schon die "es ist nicht modern"-Karte zücken will, wäre eine 90-92 gerechtfertigt, um etwas unter MI2 zu bleiben, aber die 75 ist eine Frechheit.
Wer Adventures als Spieleform nicht total abgeneigt ist sollte Eric the Unready jedenfalls SOFORT (jetzt, auf der Stelle, ohne zu zögern, ohne über Los zu gehen, nicht morgen, am besten gestern, der Rest kann warten) spielen. Es ist auch 2021 sehr gut spielbar, gut gealtert, nicht zu lang (1 Monat - ca. 15h - 20h), und sehr unterhaltsam. Als Studienobjekt hervorragenden Spieldesigns ist es ebenfalls nützlich.
Ich komme also nicht umhin, dem Spiel, Legend und Bob Bates meinen Respekt zu zollen und die 10 zu vergeben (aufgerundet, aber trotzdem).