So, mal wieder Zeit für nen Adventure-Review, wa?
*räusper*
Der heutige Probant ist OVERCLOCKED, was ja übersetzt wohl ÜBERTAKTET heißt. Dieses Werk aus der Schmiede "House of Tales", ist oberflächlich betrachtet ein klassisches Adventure, hat aber gewisse einmalige Eigenheiten, die das Spiel zu etwas ganz besonderem machen. Das Hauptaugenmerk liegt hier eindeutig auf der Story. In gewisser Weise könnte man sogar sagen, dass man einen "Film spielt".
In New York werden nacheinander fünf Jugendliche aufgegriffen, die verstört, ohne Erinnerung - aber bewaffnet durch die Strassen laufen. Wir schlüpfen nun in die Rolle des Psychaters David McNamara, der mit seiner eigenen neuen Methode versuchen soll hinter das Geheimnis der Jugendlichen zu kommen. Doch eigentlich hat David genug eigene Probleme. Seine Ehe liegt in Scherben, Albträume plagen ihn - und auch in seiner Vergangenheit schlummert ein dunkles Geheimnis, welches nach und nach sein Handel beeinflusst...
Das Spannende an OVERCLOCKED ist sicherlich die Erzählweise. Wir dringen vorsichtig in die Köpfe der Jugendlichen ein und bringen Schritt für Schritt ihre Erinnerungen zurück. Dadurch erleben wir das Spiel chronologisch rückwärts, was nicht nur der Geschichte, sondern auch dem Spiel eine ganz besondere Note gibt. Wer MEMENTO gesehen hat, weiß was ich meine. Das "Erkunden der Erinnerung" gestaltet sich dann z.B. auch so, dass wir abwechselnd in die Rollen der Jugendlichen springen und mit ihnen direkt agieren. Wenn wir "im Kopf" der Fünf aktiv sind, hören wir David nur von aussen, der uns leitet und immer weiter in der Zeit zurücktreibt.
Das Ganze gestaltet sich in klassischer Point'n'Click Manier. Das Spiel bietet dabei zahlreiche Hilfen an. Mit Klick auf die Hotspots wird sofort angezeigt, ob man hier etwas untersuchen, nehmen, drehen, schieben usw. kann. Die Kombination von Gegenständen ist aus der Inventarleiste einfach und bequem. Hotspots und Ausgänge lassen sich per Tastendruck anzeigen. Gespräche kann man mit ESC abbrechen, die Bildschirme werden mit Druck auf den jeweiligen Pfeil sofort verlassen. Dies alles ist sehr bequem und benutzfreundlich, verkürzt die Spielzeit aber auch enorm.
Dazu kommt noch, was ich weiter oben schonmal angedeutet hatte - OVERCLOCKED ist eher ein Spiel zum Zuhören, weniger zum Rätseln. Die Rätseldichte ist ziemlich dünn und ein Schwierigkeitsgrad praktisch kaum vorhanden. Für einen echten Adventurehasen sind jedenfalls keine Kopfnüsse dabei. Das was die meiste Zeit kostet, ist auch das, was ich am ehesten kritisieren möchte - denn um bei den Jugendlichen weitere Fortschritte zu machen, muss man ihnen ständig aufgezeichnete Gesprächsteile von den jeweils anderen vorspielen. So springt man also von einer Zelle in die nächste und muss halt immer mal wieder probieren, mit welchem Gesprächsfetzen man denn nun bei dem und dem weiterkommt. Manchmal braucht es auch psychische Tricks wie Musik oder eine abgedunkelte Zelle mit Taschenlampenlicht, die neue Erinnerungsfetzen zu Tage fördern.
Dies alles kann etwas ungeduldig machen - klingt dabei aber ganz hervorragend. Da die Geschichte, wie erwähnt, das Wichtigste ist, wurde auf das Erzählen großer Wert gelegt. Die Sprecher sind daher alle ausgezeichnet besetzt. Cliff in Zelle 5 ist mir vielleicht etwas zu cool geraten, aber grundsätzlich lässt sich nix kritisieren. Die Soundkulisse und die unaufdringliche, der jeweiligen Situation angepasste Musik trägt ihr übriges dazu bei.
Auch grafisch ist das Spiel eine Schmaus. Tolle Videosequenzen, guter Einsatz aktueller technischer Möglichkeiten. Da man (im Vergleich zu anderen Adventures) nicht viel Bewegungsfreiheit hat, könnten manche Lokalitäten schnell langweilen, sie sind aber auf jeden Fall stimmig und mit Liebe fürs Detail gezeichnet. Was mir nicht gefallen hat war das recht starre Mienenspiel der Charaktere. Sie geizen zwar nicht mit Bewegungen, aber in Gesprächen untereinander, blicken sie doch meist etwas trostlos starr in eine Richtung. Gut fand ich z.B. solche Effekte, dass beim Eintritt in die Erinnerung eines unserer Patienten alles noch grau in grau erscheint - und erst nach und nach Farbe dazukommt. Das wirkte sehr real (Stichwort Träume) und unterstützte die großartige Atmosphäre.
Größter Pluspunkt ist aber sicherlich die Story. Von Anfang bis Ende zieht sich ein schöner Spannungsbogen durch das Spiel. Vorallem die Vermischung von Davids Arbeit mit seinem Privatleben ist sehr gelungen. Denn ähnlich wie man die Erinnerung der Jugendlichen Schritt für Schritt zurückholt, erfährt man auch über Davids private Probleme stückchenweise immer mehr - bis zum großen Finale. Dies ist zwar (im Bezug auf eine Szene) gewagt erzählt, passt aber gut in die Geschichte. Nur die allerallerallerletzte Szene hätte ich definitiv anders geschrieben. Das hätte nicht sein müssen.
Tja, was bleibt ist ein relativ kurzes, relativ leichtes, aber auch relativ intensives Spielerlebnis, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Die Abstriche die man bei Spielzeit und Rätselspaß macht, holt man sich durch Präsentation und Drehbuch wieder rein. Find ich jedenfalls. Spätestens am Schnäppchentisch sollte unbedingt zugeschlagen werden.
Grafik: 2-
Sound: 1
Spielstory: 1
Bedienung: 2 (eigentlich perfekt - aber vielleicht sogar ZUVIELE Hilfen)
Rätseldesign: 4 (aufgrund der geringen Anzahl bzw. Schwierigkeit - verglichen mit klassischen Adventuren)
Spielmotivation: 1