Obwohl wir wohl eh nicht auf einen Nenner kommen (
), gehe ich mal auf alles ein:
Also:
Warum ich Textadventures mit Grafikadventures vergleiche:
Ob ich jetzt mit dem namenlosen Helden in Planetfall umherlaufe, Gegenstände ins Inventar verschiebe, mit NPCs rede, Rätsel löse und einem Plot folge, der Anfang, Mitte und Ende hat, oder ob ich jetzt mit Nina durch Geheimakte Tunguska laufe, Gegenstände ins Inventar verschiebe, mit NPCs rede, Rätsel löse und einem Plot folge, der Anfang, Mitte und Ende hat - DAS IST DOCH DIE EXAKT GLEICHE SPIELPHYSIK! Und mehr vergleiche ich doch nicht! Ich vergleiche nicht den Aufwand von richtigen Adventures mit dem von Grafikadventures, ich vergleiche nicht die Produktionskosten, nicht die Grafik und den Sound (haha) noch sonstwas.
Selbst, wenn: Was die Proportionen angeht, kann man auch Dein Beispiel anpassen:
Textadventure: Ein Texter, ein Informatikstudent. Kleiner Aufwand, kleines Programm.
Richtiges Adventure: 100 Texter, 100 Informatikstudenten. Großer Aufwand, großes Programm.
In beiden Fällen kann gutes wie schlechtes bei rauskommen. Es ist natürlich einfacher, ein Textadventure zu machen, (und man hätte damit heute keinen Erfolg, und ich wünsche mir auch keine neuen Textadventures, mir reichen die alten) aber es ist nicht einfacher, ein
gutes Textadventure zu machen. Denn da geht es wieder um den Inhalt, nicht um die Form. Umgekehrt ist ja auch ein "richtiges" Adventure erst gut, wenn der Inhalt stimmt, unabhängig von der Aufmachung. Das Hersteller-Team muß halt einfach gut sein, ob das jetzt zwei Leute sind oder 85. Infocom war doch nicht erfolgreich, weil jeder Arsch ein Textadventure machen kann, sondern weil die Spiele gut waren. Es gab auch schlechte Textadventures, geschrieben von einem Texter und einem Informatikstudenten (nehme ich an)!
Klar, heute können sich Designer, wenn sie erstmal vertraglich gebunden sind, natürlich nicht mehr so austoben. Aber das heißt doch nicht, daß früher jedes Programm von irgendwelchen Freaks aus der Garage genommen worden wäre. Auch die Designer, die sich früher austoben durften, mußten dann erstmal eine Firma finden, die ihr Spiel vertreibt. Und wenn sie schon in einer Firma waren, war das mit dem Austoben sicher auch nicht mehr so üppig. Wären die Ideen von Ron Gilbert oder Steve Purcell rein zufällig scheiße gewesen, hätten sie sich einen abaustoben können, keiner hätte sie genommen. Wäre Monkey Island erst 2009 erschienen, mit schicker Grafik, Sprachausgabe und meinetwegen sogar anderer Steuerung, es wäre doch trotzdem ein Hit gewesen, weil eben der Inhalt zeitlos gut ist.
Und meinetwegen ist es ungerecht, aber es gibt eben in jedem Medium Standards, die gesetzt wurden. Die Beatles sind auch schon seit 40 Jahren "die beste Band". Warum? Es hat seitdem eben keine Band mehr geschafft, gleichzeitig Alben wie Singles massenhaft zu verkaufen, ein riesiger Medienhype zu sein und auch noch gute Musik zu machen. Shakespeare ist seit 500 Jahren der größte. Das mag auch für jeden Dichter ungerecht sein, aber so ist es nunmal.
Und ja, ich würde gerne mal mit nicht so aalglatten Figuren spielen wie in Tunguska. Muß nicht unbedingt ein Alki sein. Kann auch ein Redneck-Bauer aus Texas sein. Oder ein schwuler Bundestagsabgeordneter. Oder ein Extrem-Bergsteiger. Was neues halt.
Selbstkritik kann ich gerne üben: Eigentlich kenne ich zu wenige neue Adventures. Ich hab bei einem Freund irgendein Sci-Fi-Ding angespielt (man mußte u. a. an so nem langen sprechenden Elektroarm = Empfangsdame vorbeikommen), ich hab dieses Detektivding auf'm Circus (irgendwas mit "Motten" im Titel) angespielt und so ein Inselabenteuer, wirkte etwas wie Myst: Alles aus der Egoperspektive, ein wenig wie ne Diashow. Man mußte alleine am Strand Muscheln einsammeln und Feuer machen und so. Irgendein anderes Steinzeit-Überlebens-Evolutionsadventure hab ich auch mal angefangen.
Ich schildere das so merkwürdig, weil keiner der Titel hängengeblieben ist, und weil Du vielleicht mit meinen Erinnerungsfetzen auf den Spieletitel kommen könntest.
RUNAWAY, SIMON IV (ich wußte nicht, daß es einen dritten Teil gibt), EDNA, THE BOOK OF UNWRITTEN TALES - nie gehört. Ja, sollte ich vielleicht kennen, um wirklich mitreden zu können, kann ich auch gerne zugeben.
Was das Gruseln bei Tunguska angeht: Habe nur falsch formuliert, "gruseln" ist das falsche Wort. Ich hatte gar keine Erwartungen an das Spiel, weil ich nie davon gehört hatte. Mir fiel nur auf, daß das Spiel durch seine ganze Präsentation mysteriös daherkommen will (was es bei der Story auch sollte) aber bei mir einfach keine entsprechende Stimmung erzeugt, was ich schade finde. Auch das mag an mir liegen, aber Stephan schrieb ja glaub ich auch, daß es ihm ähnlich ging.
Eine Liste der Adventurehelden der letzten 20 Jahre würde mich tatsächlich auch interessieren, vielleicht kann ich dann ein paar Vorurteile wegschmeißen. Aber ich bin skeptisch.
Ich will auch keine ganze Generation von Adventures abstrafen, wenn das so rüberkam, war das nicht beabsichtigt. Vermutlich gibt es einige neue Adventures, die mir gefallen würden, wenn ich sie überhaupt kennen würde. Aber wegen oben geschilderter Erfahrungen mit Spielen, deren Titel ich nicht mehr weiß, habe ich da meine Zweifel. Falls alles ganz dumm gelaufen ist, bin ich auch ausgerechnet nacheinander an fünf neue Adventures geraten, die ich alle blöd fand und habe mir daraus meine Pauschal-Meinung gebildet.
Was Du von EDNA schilderst, klingt jedenfalls tatsächlich nach meinem Geschmack. V. a. die Irrenhauskomponente.
Ne Toolleiste ist mir übrigens nicht so wichtig, siehe Infocom.
THE WHISPERED WORLD guck ich mir auch mal an.