Ich muss mich - seit langem - mal wieder so richtig auskotzen.
Einst angehender Student der Politikwissenschaften, bin ich heute an einem Punkt angelangt, an dem ich nur noch Unverständnis (vorsichtig formuliert) für die Politik dieses Landes - und die überall sonst auf der Welt - empfinde.
Aktueller Anlass ist für mich vor allem, dass ich mich in den vergangenen Wochen sehr intensiv mit dem
Krieg Auslandseinsatz der Bundeswehr in Afganhistan beschäftigt habe, zumal mein Bruder (einige hier wie suk oder Dave kennen ihn) seit zwei Wochen dort stationiert ist.
Es ist nicht zu glauben, wie dermaßen weit die politischen und auch militärischen Bestrebungen der internationalen Gemeinschaft an der Realität vorbei gehen. Bis vor kurzem hat mich das alles eher kalt gelassen. Jetzt hockt mein einziger Bruder in dieser Scheißgeröllwüste, die sich Staat nennt und kämpft für eine vermeintliche Freiheit, die sich dort nicht durchsetzen lässt und gegen Machtstrukturen, die sich höchstens zerstören ließen, indem man einen nahtlosen (am Besten Atom-)Bombenteppich über dem Land abwerfen würde.
Und zwischen diesen Nachrichten immer wieder unsere glattgebügelten, rückgratlosen Politiker, die, wären sie mit mir in einer Klasse gewesen, die ganze Schulzeit über nur von mir gequält worden wären, heute aber das Land regieren dürfen. Vermutlich allesamt zu untauglich für den Wehrdienst, ernennt man sie zum "Verteidigungsminister" und "obersten Befehlshaber". Irgendwelchen knilchigen Ex-VWL-Studenten ohne jegliche Lebenserfahrung muss mein Bruder nun sein Leben anvertrauen - nicht zu fassen.
Aber auch sonst kotzt mich nur alles an. Künstlich erzwungene Debatten, vorgeschobene Berichterstattungen und die tatsächlichen Probleme werden unter den Teppich gekehrt, wo sie bisweilen auch schon wieder hervorzuquellen drohen. Was selbstverständlich stur ignoriert wird.
Man nehme nur mal unser Steuersystem. Je größer der Umsatz meiner Firma und auch meine persönlichen Gewinne daran werden, umso mehr kann ich davon profitieren. Wo keine Gewinne sind, da ist auch keine Steuer zu mindern. Mittlerweile aber lässt sich mehr und mehr vom Staat wieder zurückholen. Bereits gezahlte Zinsabschlagsteuer für meine Ersparnisse darf mir nicht nochmals besteuert werden; mein großes Hobby - das Essen - kann ich vermehrt als bewirtete Geschäftsbesprechungen deklarieren, ohne dass es weiter auffallen würde; ich kann meine Frau als Putzfrau einstellen und ihre Sozialversicherungsbeiträge als Betriebsausgabe absetzen; und der Steuerberater, der mir alles so hindreht, dass ich als armer Schlucker dastehe, den setze ich auch ab.
Leute, so macht das Steuern zahlen erst Spaß. Da ich aber ein Arbeiter im Geiste bin, widert mich diese Erkenntnis gleichzeitig richtig an. Dieses Steuersystem ist - und wer etwas anderes behauptet, der lügt - nur deshalb so komplex, damit den Wohlhabenden genügend Schlupflöcher bleiben, um noch mehr Geld anzuhäufen. Es ist von Reichen für Reiche gemacht.
Der ein oder andere VWL/BWL-Student im ersten Semester wird jetzt entrüstet aufschreien, mir meine Worte um den Kopp hauen wollen und darauf hinweisen, dass das ja alles nur gerecht ist. Denn, wer mehr Steuern zahlt und das System so stützt, der muss auch belohnt werden, wer gar relevant ist für seinen Fortbestand (des Systems), der muss entlastet und zur Not auch gerettet werden, wer Geld angespart hat, soll dieses auch behalten dürfen, und überhauzpt: freie Marktwirtschaft und so. Trotzdem juckt das diejenigen, die sowieso nichts haben, kein Stück. 10 % Steuern auf Nichts oder 12 % Steuern auf Nichts - was macht es für einen Unterschied? Angearscht ist vor allem der Normalverdiener. Mit einem Jahreseinkommen von 36.000 € zahle ich genauso viel in die gesetzliche Krankenkasse ein, wie jemand, der im Jahr 1,5 Millionen macht. Das nenne ich mal sozial gerecht.
Nun, ich höre an der Stelle mal auf, obwohl ich gefühlt noch zwei Tage am Stück weiter schreiben könnte, wo ich etwas im Argen sehe. Ich hoffe auf Meinungen und Diskussionen.