Was die Arschhochkriegen- und Situation in Deutschland-Diskussion angeht, muss ich mich dieses Mal voll und ganz Pearson anschließen.
Die Karten sind verteilt, das Geld bleibt da, wo es schon immer war, in bestimmten Familien und Firmen und der kleine Reichtum, den man sich in den Jahren des Wirtschaftswunders noch mit ehrlicher Maloche erarbeiten konnte, erweist sich schon längst als eine Hoffnung, die man sich mittlerweile getrost schenken kann.
Meine Eltern haben beide Medizin studiert, einer der schwersten Studiengänge weltweit, zumindest mein Vater hat dann fast dreißig Jahre in dem Beruf gearbeitet, gespart wie ein Eichhörnchen und gelebt wie ein Asket. Zu viert bin ich mit meinen Eltrern und meinem Bruder in einer 85 m² großen (und übrigens spottbilligen, da im Besitz der Uni befindlichen und so damals recht günstig an Studenten vermietete) Dreizimmerwohnung aufgewachsen, Kleider gab's vom großen Cousin, Flohmarkt oder Second Hand. Und mein Bruder hat meine Kleider gekriegt. Urlaub war meistens Camping, die Möbel jahrelang nur vom Sperrmüll oder selbst gebaut (handwerklich begabter Vater), die Fahrräder waren auch aufgemotztes Sperrmüllzeug und das grundsätzlich Familienauto eine Unterklassenrostlaube, die man fuhr, bis wirklich nichts mehr ging. So, jetzt denkt Ihr bestimmt, die Eltern vom Bradley müssen ihren Geldspeicher direkt zwischen dem von Onkel Dagobert und Klaas Klever stehen haben - von wegen!! NICHTS ist hängengeblieben, wirklich NICHTS!! Klar, ein paar Kröten hat mein Alter schon zusammengespaart, aber noch nicht einmal für Wohneigentum hat es gereicht. Und die besagte Summe, die er sich (und uns) jahrzehntelang vom Mund abgespart hat, wird dafür draufgehen, meine Mutter in der Rente vor einem menschenunwürdigen Hartz IV-Leben zu bewahren, ein Großteil wird dann innerhalb der zwei Jahre verballert sein, die meine Eltern kurz vor ihrem Ableben noch in einem (wohlgemerkt lausigen) Altenheim oder einer Altenwohnanlage zubringen werden, vielleicht noch ein paar Tausender für irgendwelche senilen Verrücktheiten im semidementen Zustand und dann isse auch schon weg, die Kohle.
Ich erwarte mir KEINEN VERFICKTEN CENT. Will ich eigentlich auch gar nicht. Mein Vater hat gerackert wie ein Irrer, da gönne ich ihm wirklich jeden Euro, den er mal verprasst - und sei es für noch so sinnloses Zeug.
Und das schreibe ich als Sohn zweier Ärzte. Ich will gar nicht wissen, wie es in Arbeiterfamilien ohne finanzielles Polster in der Elterngeneration gerade abgeht. 1.200 Euro netto für 'nen Koch, der sich 14 Stunden täglich beim Teildienst einen in der Küche abschwitzt? Davon kann man nicht leben, es geht nicht. Zumindest nicht gemessen an dem, was in Deutschland einmal Lebensstandard war und schon zehn Mal nicht gemessen an, was uns die lustige Medien- und Konsumgesellschaft als Meßlatte gesetzt hat.
Wem heute noch die Sonne aus dem Popo scheint, dem wurde das in die Wiege gelegt. Und wer etwas anderes erzählt, der lügt. So wie mein Zahnarzt, der ja soooooooo hart geschuftet hat, um sich mit Anfang 30 sein erstes Hanghaus in bester Lage zu bauen. Ein netter Kerl, aber was er immer vergisst zu erwähnen ist, dass er in Papis Praxis eingestiegen ist, sich nicht für mehrere Millionen medizinisches Gerät anschaffen musste, bereits einen Kundenstamm übernehmen konnte und auch die Arbeitsabläufe alle schon vorstrukturiert waren. Wie will man denn da auf die Schnauze fallen?
Ob ich ein Sozialneider bin? Ja!! Und ich stehe dazu. Leute, die Sozialneider doof finden kommen immer nur aus der Ecke der Beneideten, also leckt mich am Arsch mit Kritik daran.
Fakt ist jedenfalls, um weiter bei meiner Person zu bleiben, dass es für mich nichts zu erben gibt. Und ohne Papas Geld im Rücken ist man mittlerweile angearscht. Ich selbst arbeite viel, wirklich viel und verdiene momentan auch echt nicht gerade wenig Kohle. Dennoch sehe ich das, was ich mir aufgebaut habe, auf extrem tönernen Füßen stehen und betrachte mich selbst als einer von denen, die verzweifelt noch versuchen, den Anschluss an "die da oben" zu finden, um irgendwann auch mal lachend auf die Unterschicht herabsehen zu können. Soweit ist es mit mir gekommen. Aber ich gebe Pearson mit seiner Einschätzung der Lage Recht, kann Stephan zu seiner Taktik des geringsten Widerstandes (oder wie cassidy es nicht ganz falsch nennt: Resignation) nur beipflichten und hoffe für den Planetfall, dass es so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit gibt (ich persönlich glaube nicht daran), damit er für seine vielen kleinen guten Taten einmal in den Himmel kommt.
Hier auf Erden wird's ihm jedenfalls keiner danken. Und schon gar nicht in Deutschland. Und hier will auch keiner etwas ändern. Hier lässt man alles über sich ergehen. Und dieses "alleine dastehen mit seinen Anliegen", das ist kein Gefühl, das ist ein Wissen. Und weil ich das weiß, will ich selbst an die Macht, beteilige mich an jedem Klüngel und erfreue mich an den Gesetzeslücken, die man extra für Leute wie mich gelassen hat und wenn mein Plan nicht aufgeht werde ich kriminell (Betrüger o. ä.). So meine Perspektiven.
Pearsons Metapher mit den Wölfen jedenfalls finde ich zutreffend für das, was ich als einzigen Schritt zur Verbesserung erachte. Kannst Du sie nicht besiegen, musst Du eben mit Ihnen heulen. Ist ein Stück weit feige, fürchterlich egoistisch, aber letzten Endes taktisch klug. Wie in Frankreich die Laster querstellen auf der Straße, das läuft hier nicht (nicht, dass es denen deswegen besser ginge, nur weil sie es tun) und die Revolution im Kleinen à la Planetfall verpufft leider ungesehen und tut höchstens morgens beim In-den-Spiegel-gucken gut.
Na ja, wat soll's... gibt jetzt Essen.