So, mal wieder ein bißchen Themen-Nekrophilie...
Anlass ist, dass ich es gestern endlich mal geschafft habe, mir KILL BILL 1 und 2 anzusehen.
Unterhalten gefühlt habe ich mich bestens, soviel vorweg. Trotzdem fand ich die Filme nicht so gut, wie Tarantinos frühere Werke.
Der urtypische Stil des Regisseurs ist nicht mehr ganz so unverkennbar wie in PULP FICTION oder RESERVOIR DOGS, es gibt zum Beispiel nicht mehr so viele dieser klassichen Dialoge. Vielmehr mischt er sich mit dem Stil der alten Eastern-Kung Fu-Reisser, dem Stil der Sergio Leone-Western wie SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD und dem japanischer Yakuza- und Animee-Streifen. KILL BILL ist unverkennbar eine ganz große Verbeugung vor diesen Genres - und zwar eine sehr gelungene, wie ich bemerken darf.
Schon der Vorspann, ganz in der Machart der alten Shaw-Brothers-Filme, verrät dem Zuschauer, was er zu erwarten hat und wirklich jedes Klischee der alten Kung Fu-Schinken wird aufgegriffen: Der uralte Meister mit schlohweißem Haar, buschigen Augenbrauen und Bart, der auf einem Berg wohnt. Die schier endlosen Stufen, die es zu Trainingszwecken mit Wasserkübeln hinauf und hinunter zu laufen gilt, das knallharte Training, die erstmal vorherrschende Abneigung des Lehrers gegenüber seinem Schüler, das Killerkommando mit den blumigen Pseudonymen, der Schwertmeistrer, der legendäre Mordwerkzeuge herstellen kann, seinem Handwer eigentlich aber schon lange abgeschworen hat, die abtrünnigen Kung Fu-Lehrlinge, die Horden maskierter Krieger, die als Kanonenfutter dienen, der Kampf gegen den "Endgegner" in einem dieser japanischen Gärten, verheißungsvoll vorgetragene Weisheiten, die unterschiedlichen Tiertechniken, die miteinander konkurrieren und natürlich darf auch ein berüchtigter Todesschlag (in diesem Fall die "five-point-palm-exploding-heart-technique") nicht fehlen. Selbst die bekloppten Zooms auf die Gesichter der Kämpen lässt der Film nicht vermissen.
Besonders stark sind die Gastauftritte der Kung Fu-Legenden Gordon Liu, Star in zahlreichen Shaolin-Filmen der 70er und 80er Jahre, Sonny Chiba, dem legendären "Streetfighter" (der geneigte Zuschauer erinnert sich bestimmt an die Szene in TRUE ROMANCE, als Christian Slater sich im Kino die gesamte Streetfighter-Trilogie anschaut) und natürlich David Carradine, dem Hauptdarsteller der berühmten Serie "Kung Fu".
Neben dem Hong Kong-Kino kommen übrigens auch Anspielungen an den japanischen Film nicht zu kurz. Die Szene in welcher sich alle großen Triadenmafiabosse versammelt haben und ihr Oberhaupt an einem von ihnen für seine Widerworte ein blutiges Exempel statuiert dürfte hierfür die typsichste sein.
Nebenbei bemerkt erinnert mich das "deadly viper assassination squad" überigens stark an CHARLY'S ANGELS ("Drei Engel für Charlie"). Kein Zufall daher möglicherwiese, dass gerade Lucy Liu eine der fiesen Attentäterinnen mimt.
AN SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD erinnert dagegen nicht nur das "einsame Rächer"-Thema ganz allgemein, sondern die Szenen vor der Kapelle beispielsweise sind schon mehr als nur Hommage, sie sind fast schon Kopie. Es werden in KILL BILL sogar Stücke aus Ennio Morricones genialem Soundtrack verwendet.
A propos Soundtrack. Damit kriegt Tarantino mich jedes Mal dran. Wieder einmal kann er mit einer ebenso schrägen wie genialen Mixtur aufwarten. Waren die Stücke in PULP FICTION eine Mischung aus 70er Jahre Surfermusik und alten Balladen, werden in KILL BILL alte Filmsoundtracks, japanische Stücke und natürlich auch wieder Klassiker wie Nancy Sinatras "Bang Bang" bunt zusammen gewürfelt. Sogar RZA, der bereits für Jim Jarmuschs Neo-Samuraifilm GHOST DOG musikalisch tätig war, steuerte einige Stücke bei. Tja, was soll ich sagen? Meiner Meinung nach ist der Soundtrack wieder ein absolutes Highlight!!
Wo Tarantino ganz deutlich noch einen drauf setzt, ist die Sparte "Splatterfaktor". Zwar ist man gewohnt, dass es in seinen Filmen durchaus schon zur Sache geht, KILL BILL aber ist stellenweise einfach nur noch Gemetzel. Allerdings sind die Gewaltszenen sehr überzogen und comichaft dargstellt und wirken daher nicht wirklich brutal. Die meterhohen Blutfontänen sind sogar bewusst unrealistisch, wohl auch in Anlehnung an die oft übertriebene Gewalt in den alten Kung Fu-Reissern. Manche Actionszenen sind in schwarz/weiß gedreht, was ihre Blutrünstigkeit enorm lindert und eine Sequenz wird sogar nur als Animee-Zeichentrick dargestellt (wie eine 11-jährige ihren Peiniger während des Sex mit einem Schwert erdolcht hätte man wohl auch nur schwer zeigen können - selbst, wenn man Quentin Tarantino heißt...). So macht der Regisseur aus der Not eine Tugend und verbindet diese unterschiedlichen Arten von Film zu einem großen Ganzen.
Leider gelingt es Tarantino nicht wirklich, die vielen verschiedenen Stile zu ein Gesamtwerk aus einem Guss verschmelzen zu lassen. Möglicherweise ist das ja so gewollt, dennoch macht der Film oft einen ähnlich verhackstückten Eindruck wie O'Ren Ishiis Killerkommando "Crazy 88" am Ende des dritten Kaiptels.
Nicht fehlen dürfen natürlich auch Cameo-Auftritte der üblichen Verdächtigen, der Haus- und Hofdarsteller Tarantinos, wie Michale Madsen ("Reservoir Dogs") als Budd, Samuel L. Jackson ("Pulp Fiction") und Michael Parks ("From Dusk Till Dawn"), den ich schon Anfang der 90er in KILLING COP (Bzw. THE CHINA LAKE MURDERS) absolut genial fand und der in KILL BILL, wie auch Gordon Liu, eine Doppelrolle spielt. Über letzteren sagte Tarantino einmal, er sei der größte lebende Schauspieler. Und tatsächlich ist Parks auftritt als Sheriff mit seinem dahingenuschelten Texas-Slang absolut sensationell.
Überhaupt empfehle ich übrigens, den Film in Originalton anzushehen - alleine schon wegen David Carradine, den ich hiermit zum Schauspieler mit der coooooolsten Originalstimme wähle, sein leichtes Lispeln kommt echt genial. Da sieht man mal wieder, was Synchronisation alles kaputt machen kann. Zwar habe ich mir die deutsche Fassung nicht angesehen (werde ich wohl auch nicht), aber die kann ja nur halb so gut sein, wie das Original.
Ansonsten finde ich gerade die Wahl der Hauptdarstellerin leider etwas unglücklich. Uma Thurman macht mich mal so überhaupt nicht an. Weder finde ich sie soooo sensationell hübsch, dass ich sie ständig auf der Leinwand sehen muss, noch halte ich sie für eine sonderlich begnadete Aktrice. Aber nun ja, wenn der Regisseur halt scharf auf die Alte ist... was soll's.
Abschließend kann man sagen, dass KILL BILL auf sehr gelungene Weise mehrere Hommagen in einem (bzw. zwei) Film(en) vereint. Für sich alleine genommen, ist der Streifen aber eher dürftig. Die Story steht in Sachen Hohlheit ihren 70er Jahre-Kung Fu-Film-Vorbildern in nichts nach und das Beziehungsgeschwafel zwischen Bill und der Hauptdarstellerin, sowie das sentimentale Drama um ihre Tochter am Ende des zweiten Teils wirken seltsam deplaziert. Dennoch machen die vielen unzähligen Gags und Anspielungen, die glänzend aufgelegten Protagonisten, der rabenschwarze tarantino'sche Humor ("my name is buck and i'm here for a fuck"), der geniale Soundtrack eben und nicht zuletzt die vom Coreograph Yuen-Woo Ping (Regisseur der DRUNKEN MASTER-Filme und Vater des DRUNKEN MASTER-Darstellers, des alten Suffkopps Siu Tien Yuen) grandios in Szene gesetzten Kämpfe viel zu viel Spaß, um den Film deshalb schlecht zu finden.