Also, ich favorisiere klar Konsolen-RPGs. Mir persönlich kommt es bei einem RPG auf eine dramatische Geschichte mit vielen Wendungen und Dramatik an; Charaktere sollten eine Persönlichkeit haben und Emotionen ausdrücken. In diesem Bereich sind JRPGs deutlich besser ausgearbeitet; es ist mehr Hollywood.
Bei West-RPGs sind zumeist die Charaktere Reflexionen des Spielers; meist selbst erschaffen, und daher ohne eine Persönlichkeit, die stark in das Geschehen integriert ist. Auch die Nebencharaktere definieren sich zumeist aus Stereotypen ihrer Charakterklassen; sie sind meist in erster Linie Dieb, Magier, Paladin oder sonstwas, und nicht in erster Linie Otto, Fritz und Lisa. Das allein, insbesondere der Hauptcharakter macht eine allzu komplexe Handlung, in die die Figuren selbst verwickelt sind, schwer. Das West-RPG kann bedingt durch die gebotene Freiheit die Party nicht allzusehr als echte Persönlichkeiten einbetten; um ein Skript so zu gestalten, müssen die Charaktere vordefiniert sein, muß klar sein, wann sie was sagen, wie sie sich verhalten usw. Zum Vergleich: Krieg der Sterne würde nicht ohne Luke Skywalker oder Han Solo funktionieren. Die Story braucht ihre speziellen Persönlichkeiten, sie selbst sind der Mittelpunkt des Geschehens. Wären sie ersetzbar, zB durch einen Spieler generiert und in ihrem Verhalten beeinflusst, hätte sich die Geschichte nie so entwickeln können. Hätte der Spieler entschieden, sein Held ist Pumba der Wookie-Krieger, wäre bspw die Verwandschaft zu Darth Vader & Leia oder der charakterliche Gegensatz zu Han Solo nie so zustande gekommen, wie er für die Dramaturgie nötig gewesen wäre. Handlung und Charaktere sind für eine solch komplexe Story untrennbar.
So auch in Spielen: selbsterstellte Charaktere bzw Vertreter ihrer Klassen können nicht in dieselbe Weise in die Handlung eingebunden werden wie bspw Cloud in Final Fantasy VII.
Das West-RPG stellt ein Szenario zur Verfügung, in dem sich der Spieler bis zur Erfüllung seiner Aufgabe recht frei entfalten kann. Beim JRPG wird der Spieler an der Hand genommen und geführt; er hat kaum Freiheiten, die Charaktere handeln unabhängig von ihm...können dafür aber aktiver eingebunden werden. Man erlebt Liebe, Hass, Verzweiflung aus erster Hand, man ist das Zentrum der Geschichte.
Das eine als "richtige" Rollenspiele zu bezeichnen und das andere nicht ist absolut falsch. Man muß da auch klar trennen: Zelda ist kein RPG, Secret of Mana auch nicht. Und Baldur´s Gate: Dark Alliance ist die Konsolenalternative zu Diablo, kann also dort als RPG ungefähr so ernst genommen werden wie Diablo auf dem PC; bloß simples Hack´n Slay.
Auch Kindergarten ist gelinde gesagt Blödsinn (sorry). Es ist einfach eine sehr populäre Kunstrichtung, die absolut nichts an einer "ernsten" Atmosphäre ändert, wenn man sich drauf einlässt. In Japan sind nicht umsonst echte Künstler am Werk. Mir sind fantasievolle Manga-Helden wesentlich lieber als West-RPG-Helden, die alle irgendwie wie aus der Retorte wirken. Da kommt wieder der starke Fokus auf Klassen zum tragen. Krieger haben ein bestimmtes Aussehen, Magier auch....das West-RPG klammert sich für mich zu sehr an solche Regeln, die seit Tolkien beinahe unverändert sind. Einprägsame Gestalten sind da Mangelware. Und auch in JRPGs sind nicht nur Kopffüssler unterwegs. Schau Dir Final Fantasy VIII, X oder XII an.
Das sind alles Verallgemeinerungen, die auf einer sehr oberflächlichen Betrachtung und Vorurteilen beruhen.
Ähnliches stört mich auch an Skill-/Magiesystemen: auch da ist der Klassengedanke sehr stark in West-RPGs vertreten, mit sehr traditionellen Möglichkeiten, etwas zu lernen. JRPGs verzichten oft auf so ein steifes System; Magie wird auf unterschiedlichste, oft innovative Art erlernt und eingesetzt; da lässt sich der Japaner wesentlich mehr einfallen. Und das ist bisweilen deutlich komplexer als das simple "Zaberer erreicht Level X und kann dann mittels Schriftrolle Zauber Y lernen", das in West-RPGs oft Anwendung findet. Von komplexer oder weniger komplex kann man da also gar nicht reden; komplexer sind West RPGs oft in den Statusmenüs. Mehr Werte, die beachtet werden müssen, und die Eigenverantwortung der Verteilung. Aber auch da gibt es im Konsolenbereich mitunter komplexe Systeme; so zB in FF VIII, wo man Zauber an Statuswerte koppelt und sie damit erhöht. Schutzschild-Zauber mit dem Verteidigungswert kombinieren erhöht diesen mehr als zB wenn man Feuer mit ihm koppelt; aber je weniger Schutzschild-Sprüche Du übrig hast, umso mehr sinkt der Wert auch wieder. Das gibt zahllose Kombinationsmöglichkeiten, um die Statuswerte zu verändern und an spezielle Anforderungen anzupassen; komplex bis zum geht-nicht-mehr.
Gleiches gilt für die Kampfsysteme; ein bißchen Action zu integrieren, und vor allem coole spezielle Features; soetwas dient einfach dazu, das Geschehen mitreißender zu gestalten. Es gibt keinen Grund, das Kämpfe öde aussehen müssen. Baldur´s Gate hätte soetwas bspw ganz gut getan; mich hat genervt, wie meine Charaktere dastehen und ständig dieselbe Hau-Drauf-Animation ausgeführt haben, oder aber Zauber gesprochen; alles sehr zweckmäßig, aber trotzdem noch recht unübersichtlich. Da bevorzuge ich etwas mehr Kontrolle und bessere Inszenierung; in der Beziehung hat mir übrigens KOTOR aus gleichem Hause gefallen.
Fazit: Beide Sparten tendieren in unterschiedliche Richtungen: das hat aber nichts mit richtig oder falsch zu tun, sondern mit den eigenen Prioritäten (und teilweise auch dem Schweinehund, sich nicht von "Kindergrafik" oder eher "lahmen" Charakteren abschrecken zu lassen).
Es geht darum, ob man eine mitreißende Story erleben oder sich selbst in einer Welt bewegen möchte; ob man Mikromanagement von Statuswerten und Klassen schätzt oder lieber emotional an das Geschehen gebunden sein will. Konsolen RPG-Fans zu unterstellen, ihre Games seien keine echten Rollenspiele ist schon fast eine Beleidigung. Konsolen-RPGs klammern sich halt einfach viel weniger an alten Traditionen, sondern versuchen seit jeher, Innovationen zu bringen. Das ist bei jedem Genre gern gesehen und sollte daher nicht geringeschätzt werden, nur weil man selbst Oldschool bevorzugt. Den meisten gefällts, deshalb kommen so viele JRPGs, aber es gibt ja auch noch traditionelle westliche Spiele für all jene, denen es nicht zusagt, also was solls? Ich persönlich habe den West-RPGs ihre Chance gegeben, sie sind aber einfach nicht mein Ding. Aber deshalb behaupte ich noch nicht, das es keine "echten" RPGs sind, nur weil ich eine andere Stilrichtung zuerst kennengelernt habe.
Oh, und noch zum Thema West-RPGs auf Konsolen: Die Konsolenversionen sind mitnichten immer schlechter als die PC / Homecomputer-Originale. Might & Magic II & III gelten als hervorragende Umsetzungen, bei Teil 2 geben sogar viele den Konsolenversionen den Vorzug. Und Ultima IV für das Master System ist sogar Richard Garriott´s persönliche Lieblingsversion; bei den weiteren Ultimas siehts zugegebenermaßen wieder düster aus. Aber solche Verallgemeinerungen sind auch in diesem Punkt nicht richtig.
So, wer das hier durchgelesen hat ist wirklich tapfer!;)
Kurz gesagt ist das ein Thema, das von beiden Seiten Aufgeschlossenheit verlangt; Beschreibungen wie kindisch oder erwachsen sind da fehl am Platze, weil sie zu oberflächlich sind. Ein Spiel im Manga-Stil kann eine sehr tragische oder unheimliche Atmosphäre haben, genauso wie die Charaktere in einem vermeintlich realistisch gestalteten Spiel kindisch albern wirken können. Auch gibt es zu jeder Regel Ausnahmen.
Beide Stilrichtungen sind ganz klar RPGs, und allein der persönliche Geschmack entscheidet, welche man bevorzugt. Einfach akzeptieren und den eigenen Lieblingsstil genießen.