Wie ein Fisch im Wasser Die Digitalschmiede Pixar taucht ab: Das Unterwasser-Spektakel «Finding Nemo» ist nicht nur wunderschön animiert - man kann sich so richtig tadellos amüsieren. Der US-Kassenschlager des Jahres ist da. «Finding Nemo», von Pixar produziert und durch Disney vertrieben, hat in den amerikanischen Kinos satte 338 Millionen Dollar eingespielt. Keine Frage: Seit ihrem ersten animierten Spielfilm «Toy Story» aus dem Jahre 1995 rendert sich die kalifornische Unterhaltungszentrale von Apple-Boss Steve Jobs von einem kommerziellen Hit zum nächsten.
Worin aber liegt der Charme von rivalisierenden Spielzeugfiguren («Toy Story»), geknechteten Ameisen («A Bug's Life») und schreckhaften Wandschrankmonstern («Monsters, Inc.»)? Allein an der Technologie, die sich im Quartalstakt überbietet, kann es nicht liegen. Viel eher hat es mit einer bewährten Rezeptur aus grundsolider Story, frechem Comedy-Appeal und originellen Charakteren zu tun. Und das ist vielleicht das grösste Verdienst der Pixar-Filme: Sie vermögen klein und gross gleichermassen zu begeistern.
Ein Familienfilm also. Der Schauplatz: Das Grosse Barrier Riff vor der ostaustralischen Küste. Der übervorsichtige Clownfish Marlin (Albert Brooks) wacht pedantisch über seinem aufmüpfigen Sohn Nemo (Alexander Gould). Vergebens: An Nemos erstem Schultag wird sein Spross von Sporttauchern eingefangen und ins Aquarium einer Zahnarztspraxis in Sydney verfrachtet. Marlins Suche nach dem verlorenen Sohn beginnt.
Eine treue Gefährtin findet er in der Doktorfischdame Dory, die von einem schier unerschütterlichen Optimismus beseelt ist. Ihr mit säuselnder Stimme (Ellen de Generes) vorgetragenes Mantra «Just keep swimming» bleibt einem dabei ebenso beharrlich als Ohrwurm hängen, wie sich ihre Kurzzeitgedächtnisschwäche in unser Langzeitgedächtnis einbrennt. Neben derlei Running Gags setzt es in «Finding Nemo» Seitenhiebe zuhauf: Auf ihrer Mission begegnen Marlin und Dory unter anderem drei Haien, die in Gruppentherapie-Sitzungen Enthaltsamkeit geloben. Getreu ihrem Motto: «Fish are friends, not food».
Auch mit Exkursen in die Filmgeschichte geizt der Streifen nicht. Zu den Klängen von Hitchcocks Dusch-Szene aus «Psycho» tritt eine zahnspangenbewehrte Kratzbürste in Aktion. Das junge Scheusal ist berüchtigt dafür, Fische in Plastiksäcken zu Tode zu schütteln. Um zu verhindern, dass Nemo in ihre Klauen gerät, planen die Bewohner des Aquariums den Ausbruch. Drahtzieher ist der abgehalfterte Halfterfisch Gill (Willem Dafoe), dessen Figur stark an Steve McQueens Rolle in «Gesprengte Ketten» erinnert. Müssig zu erwähnen, dass sich die Pixar-Macher auch eifrig selbst zitieren.
Für das Team von Regisseur Andrew Stanton war der Ozean eine Spielwiese sondergleichen: Vom gemeinen Thunfisch über den Pelikan bis hin zum ausgewachsenen Wal haben sich die Animatoren fast jede nennenswerte Kreatur der marinen Fauna vorgeknöpft. Die Visualisierung besticht vorab durch die realistischen Wassereffekte: Wie da Flossen, Seeanemonen oder Unterwasserströmen digitales Leben eingehaucht wurde, ist schlicht phänomenal.
Da die altbekannte Fabel vom verlorenen Sohn mit einem Minimum an Disney-üblicher Sentimentalität aufgerollt wird, werden sich auch kritische Geister für den Animationsfilm erwärmen können. «Finding Nemo» geht nicht nur als einträglichster, sondern wohl auch als bester Pixar-Film in die 20-jährige Geschichte der Digitalschmiede ein. Die Leute von Pixar haben ganze Arbeit geleistet. Dem ist nur eins hinzuzufügen: «Just keep swimming».
Filmlänge: 101min
Produktion: USA (2003), Trickfilm
Regie: Andrew Stanton, Lee Unkrich
Drehbuch: Andrew Stanton