@Kulty
Kleine Zeitungs-Diskussionsrunde
11.09.2006 14:58
"Kritik ist bei uns in Österreich Hochverrat"Ist Emanuel Pogatetz ein "Nestbeschmutzer"? Ist unser Fußball noch zu retten? Ist Josef Hickersberger der richtige Teamchef? Franco Foda, Peter Svetits und Gerhard Hirschmann diskutierten am Runden Tisch der Kleinen Zeitung.
Ganz Fußball-Österreich redet zur Zeit über die "Causa Pogatetz". Hat irgendeiner der Herren in dieser illustren Runde Verständnis für die Attacken des Emanuel Pogatetz? GERHARD HIRSCHMANN: Die Reaktionen auf Pogatetz sind typisch österreichisch. Es war nicht klug, den Teamchef zu kritisieren Er hat sich damit das falsche Opfer ausgesucht. Aber Pogatetz hat dadurch einen unendlichen Verdienst für den österreichischen Fußball erworben. Ich sehe das als Hilfeschrei. Intern ginge das sicher ins Leere, denn da sitzen nur die Haberer.
FRANCO FODA: So kann nur einer reden, der nicht Trainer ist.
HIRSCHMANN: In Österreich heißt es immer wegschauen, schönreden, gesundbeten, nur ja nicht die Dinge beim Namen nennen und schon gar keine Kritik üben.
FODA: Ich kann die Aktion von Pogatetz nicht nachvollziehen. Er hätte zuerst mit Herrn Hickersberger sprechen müssen. Er hat auf brutalste Weise den Trainer kritisiert. Das gibt es in keinem andern Land. Ich habe das in Spanien, Italien selbst in Deutschland noch nie erlebt, dass einer den Trainer verbal derart offensiv attackiert.
Ist Emanuel Pogatetz vielleicht aufgestachelt worden? PETER SVETITS: Paul Scharner hat schon ein Hilfeschrei losgelassen, der medial zu wenig Beachtung gefunden hat. Die Wortwahl von Pogatetz finde ich nicht richtig, aber dass er in die Öffentlichkeit gegangen ist, finde ich vollkommen richtig. Er hätte eher die Strukturen im ÖFB, die ganze Freunderlwirtschaft anprangern müssen. Wir haben ein Management, das seit 25 Jahren in Amt und Würden ist, teilweise veraltete Strukturen und man hat die Entwicklung im modernen Fußball verschlafen. Und diese heuchlerischen Stellungnahmen der jetzigen Spieler wie Stranzl oder Ivanschitz, darüber kann ich nur lachen.
HIRSCHMANN: Ob der Pogatetz eine Wortwahl so oder so gewählt hat, ist egal. Gott sei Dank hat einer in einem Land, in dem Kritik Hochverrat ist, einen Stein ins Rollen gebracht. Wenn wir gegen Venezuela durch ein Dodeltor 1:0 gewonnen hätten, wären alle am Boden gelegen und hätten gesagt, wir werden Europameister.
SVETITS: Das machen wir ja eh gegen Lichtenstein.
HIRSCHMANN: Aber gegen Lichtenstein gewinnen wir ja nicht. Bei uns ist jeder, der eine halbe Minute gaberln kann, schon ein Weltmeister. Wir leben ja immer noch in den Jahren 1954 und 1978. Dass sich seit damals die Welt verändert hat, nimmt man nicht zur Kenntnis. Talent, Fleiß, Professionalität und Wille zum Sieg - im österreichischen Sport alles Fremdwörter. Mit einzelnen Ausnahmen: Thomas Muster, Markus Rogan oder Niki Lauda. Der Schiverband ist der einzige Verband, der in Österreich professionell geführt wird. Ich hoffe, ich habe jetzt die Dart- und Bogenschützen nicht beleidigt.
Sind wir Österreicher im Sport wirklich "Weichbirnen"? FODA: Jürgen Klinsmann hat in Deutschland beim DFB strukturell viel verändert und ist dabei auf sehr viel Gegenwehr getroffen.
HIRSCHMANN: Zwischenruf! Der wäre bei uns nach 14 Tagen gekündigt worden.
FODA: Mit seiner Arbeit und mit seinen Ideen hatte Klinsmann recht. Natürlich war er auch abhängig vom Erfolg - den hat er Gott sei Dank gehabt.
Ist Josef Hickersberger der richtige Mann, um Strukturen zu verändern? SVETITS: Die Strukturen bei der Jugendarbeit sind in den letzten fünf Jahren unheimlich verbessert worden, mit Einführung der Akademien. Wir brauchen noch mehr Akademien, das müsste auch von dritter Seite finanziert werden. Was ich besonders anprangere: Es sind zu wenig Experten in den Betreuerteams. Schon Hans Krankl hat mit Kovacic seinen besten Freund als Co-Trainer geholt, der Hickersberger holt seinen Golfpartner als Tormanntrainer und, und, und. . . Beide haben es verabsäumt, die richtigen Experten hinter der jeweiligen Trainerperson zu holen.
Josef Hickersberger will von seinen Spielern einen Verhaltenskodex unterschreiben lassen. Wäre das bei Sturm denkbar? FODA: Das würde ich niemals von meiner Mannschaft verlangen, meine Tür steht immer offen. Viele Trainer haben ja Angst, gute Leute zu installieren.
HIRSCHMANN: Das ist super, was der Franco gesagt hat. Bei uns muss immer die Habererpartie beieinander sein. Wir müssen uns gut verstehen, wir müssen mauern und wir müssen sitzen bleiben - hauptsächlich die Funktionäre, die sitzen alle 20 bis 30 Jahre zusammen.
SVETITS: Es ist eine Lächerlichkeit, wenn ich mir das schriftlich geben lassen muss, dass ich noch Autorität besitze.
Muss man die Teamcheffrage stellen, um das Problem in den Griff zu bekommen?HIRSCHMANN: Du kannst überhaupt nur einen Ausländer holen, der Deutsch spricht und den Leuten einimpft, dass man beim Kicken rennen muss. Bei unseren Leuten hat man das Gefühl, dass keiner das Gespür hat, dass man rennen muss und dass es eine Ehre ist, für ein Nationalteam zu spielen.
FODA: Die Frage ist, ob so ein Trainer angenommen wird.
SVETITS: Es muss der täglichen Arbeit was passiert sein. Es kann ja nicht sein, dass Hickersberger einen solchen Autoritätsverlust in der Mannschaft erleidet.
Was muss sich strukturell ändern? HIRSCHMANN: Die Zehnerliga ist ein völliger Luxus, eine Hochstapelei. Wir haben acht Vereine, die immer am Rande des kriminellen Konkurses stehen. In der Form können wir uns einen Profifußball nicht leisten. Wir müssen die Struktur anpassen. Wer sagt, dass wir mit einer Halbamateurliga nicht eine viel bessere Nationalmannschaft zusammenbringen als mit dem jetzigen System.
http://www.kleinezeitung.at/sport/fussball/208475/index.doIch will Svetits als Präsidenten haben