Aua, aua, aua, das hat echt weh getan beim Zuschauen.
Hut ab natürlich vor Mariusz Wach, dass er es aushalten kann, sich von einem Klitschko über die komplette Distanz von 12 Runden pausenlos in die Fresse schlagen zu lassen, ohne dabei runter zu gehen. Gut, der Kerl ist zwar irgendwie 3 Meter groß, hat einen Schädel wie der Beisser aus James Bond, Mister Myagi in seiner Ecke und sein überdimensioniertes Kinn hat vermutlich diese ausladenden Ausmaße, weil Chirurgen es mit einem Stahlträger verstärkt haben, aber seiner Gesundheit einen Gefallen getan, hat er auf keinen Fall. Oder anders gesagt: Egal, wieviele Gehirnzellen er vorher hatte - die sind auf alle Fälle jetzt weg. Klar, solange "der Boxer sich noch sinnvoll verteidigen kann", darf laut Regelwerk der Kampf nicht abgebrochen werden; andererseits hat aber der Ringrichter auch immer zum Wohle des Boxers zu entscheiden. Und ich persönlich hatte so ab Runde 8 das Gefühl, dass der Wach echt genug kassiert hat. Gut, Schwergewicht ... Lucky Punch ... blabla ... aber war das ernsthaft noch zu erwarten? Der Pole hatte bis zu diesem Zeitpunkt des Kampfes genau 2 (!!) Treffer gelandet (und auch danach keinen einzigen mehr, was meine Ansicht noch unterstreicht). Die anderen, wenigen Schläge gingen meilenweit daneben oder Wach zog sie gar nicht erst voll durch - vermutlich ob der Gewissheit seiner eigenen, deutlich unterlegenen Geschwindigkeit.
Es ist festzuhalten, dass selten mal war ein Klitschko-Gegner (in einem WM-Kampf) so viel langsamer, technisch eingeschränkter und überhaupt drei Klassen schlechter war. Zuletzt gewann man bei Jean-Marc Mormeck diesen Eindruck; der war aber immerhin vernünftig genug, sich innerhalb von 4 Runden auf die Bretter zu legen.
Wobei, Manuel Charr, der da zuletzt gegen den Vitali Klitschko verlor, war technisch wohl noch limitierter als alle anderen Herausforderer um die Schwergewichtskrone. Immerhin, der Junge hatte Herz, der hat ans sich geglaubt, wollte wirklich gewinnen und hat sicherlich auch alles gegeben, wozu er mit seiner geringen Erfahrung eben in der Lage war.
Erstaunlich festzustellen, nebenbei noch, wieviel athletischer, beweglicher und vor allem schneller Wladimir Klitschko war. Obwohl er nur 4 cm größer und 2 Kilogramm schwerer ist, wirkte der Herausforderer im Vergleich tumb, staksig und träge (wie sonst nur die 2 Meter 15 und plus-Fraktion à la Valuev, Hong Man Choi und Co). Wach konnte Klitschko zu keinem Zeitpunkt auch nur annähernd gefährden (mal abgesehen von dieser einen, einzigen Aktion am Ende der Runde 5, als er den Weltmeister mit einer Zufallsrechten ernsthaft überraschen, aber leider überhaupt keinen Nutzen aus diesem Überraschungsmoment ziehen konnte - zu langsam und unplaziert die darauf folgende Salve aus Haken).
Was halt beim Zuschauen nervt, ist Klitschkos Besonnenheitsboxen. Natürlich ist dieses Sicherheitsdenken seiner Routine, Abgebrühtheit und Intelligenz (gemeint ist die boxerische - ansonsten neige ich dazu, mich von gekauften Doktortiteln nicht beeindrucken zu lassen) geschuldet. Trotzdem könnte er - gerade gegen einen größeren Mann - durchaus mal mit Haken arbeiten. Mit ein paar gut platzierten Schwingern ließe sich auch ein Quadratschädel wie Wach aus den Socken hauen. Dazu müsste man aber eben auch mal das Risiko gehen, sich in die Halbdistanz zu begeben - was ein Wladimir Klitschko niemals tut. Stattdessen nimmt er sich nach einem furiosen achten Durchgang erstmal zwei, drei Runden lang extrem zurück, boxt den Gegner gemächlich aus, um dann zum Ende hin - selbstverständlich immer noch kontrolliert und wohldosiert - wieder Gas zu geben.
Jedenfalls hätte Klitschko den Sack durchaus viel früher zu machen können. Ob nun RTL ihn bezahlt, dass er die volle Distanz geht, ob er wirklich selbst diese Angst vor jedwedem Risiko hat oder ob das bei ihm eher unterbewusst abläuft, das weiß man nicht.
Ansonsten, was den technischen Aspekt angeht, natürlich wieder großartiges Bilderbuchboxen von Wladimir Klitschko: Krachende, blitzschnelle und gut gezielte Links-Rechts-Kombinationen, perfekte Beinarbeit, gute Beweglichkeit im Oberkörper und überlegene Reflexe.
Auch konditionell war er sich seiner Sache so sicher, dass er - was durchaus neu war - den Gegner fast schon umtänzelte wie einst Muhammed Ali. Normalerweise sagt man ja, der Boxer, der die Ringmitte beherrscht, beherrscht den Kampf. Es war aber Klitschko, der unermüdlich lief, sich in Schlagdistanz brachte und gleichzeitig ständig aus der Reichweite des Gegners heraus arbeitete.
Mein Fazit: Für diesen Wladimir Klitschko gibt es derzeit keinen Gegner. Es bräuchte einen dieser Ausnahmeathleten wie Mike Tyson, die schier übermenschliche Schnelligkeit und Reflexe mit der nötigen Portion Wahnsinn kombieren können, die es braucht, um einem Klitschko ohne Angst gegenüber zu treten (und Wach hatte einfach zu viel Respekt - das zeigte alles an ihm, seine altung, seine Gestik, sein Gesichtsausdruck).
Klitschko, auf der anderen Seite, hat seinen unbedingten Zerstörungswillen längst verloren. Er ist ein meisterhafter Techniker und Taktiker - aber das eben auf Kosten des etwas ungestümeren Wladimir Klitsch-KO, der er in der ersten Dekade seiner Profikarriere noch war.